Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

D`r Papst kütt

Und sein Dombesuch soll im Fernsehen gut aussehen!
Deshalb muss Kunst weichen.

Lediglich 48 Stunden vor dem Besuch Benedikts XVI, im Epizentrum des Weltjugendtages, sah das Hauptportal des Kölner Doms noch völlig anders aus: Architekturstudenten der FH Siegen hatten hier ihre Installation „nartheX“ – griechisch für die Vorhallen frühchristlicher Basiliken – in Nachtarbeit errichtet, mit großzügiger Hilfe der Kölner Firma Glahé International Systems.

Nicht sieben, sondern kaum einen Tag allerdings währte das Ergebnis von zwei Monaten harter Entwurfs- und Ausführungsplanung. Denn noch während die ersten Pilger in das Gotteshaus strömten, entschied sich das Metropolitankapitel der Hohen Domkirche zu Köln für den sofortigen Abriss des Kunstwerks.

Das gute Recht eines jeden Hausherrn – wäre er nicht zugleich auch Financier und Auftraggeber des Projekts und hätte er der Errichtung der Installation nach eingehender Prüfung von Modellen, Plänen und Grafiken nicht mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Nun aber: „Die Leute kriegen Angst, es gibt Staus, es funktioniert nicht“.

„Atmosphärisch eintauchen“

Dabei sollte das Projekt eigentlich ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung des Kölner Domes und des in ihm endenden Pilgerwegs sein. Vom dritten Tag des WJT 2005 an sollten die Gläubigen, aus Richtung Rhein kommend, sich in 6er-Reihen und zwischen sogenannten Drängelgittern hindurch in Richtung Kathedrale bewegen. An den beiden Türen des Hauptportals sollten sie sich dann in zwei 3er-Reihen aufspalten und die Kirche betreten.

„Hier werden die Pilger in eine Schleuse geleitet, die einen Übergang zwischen weltlicher und sakraler Umgebung schafft […]. Mehrere weiße Wandscheiben mit unterschiedlichen Knickrichtungen versperren vorerst den weiten Blick ins Mittelschiff. Einzig der Blick nach oben bietet den Pilgern den ersten Kontakt mit dem Dom und seiner überwältigenden Höhe. Beim Durchlaufen der Schleuse wird der Pilgerstrom entflechtet bzw. aufgeteilt, so dass jeder Pilger die Atmosphäre bewusst wahrnehmen kann. Nach ca. 25 m findet eine Aufweitung der Wandscheiben und die Zusammenführung des Pilgerstromes statt. Der Blick auf den sakralen Innenraum des Domes ist nun freigegeben.“ (Konzept „nartheX“)

Im Inneren sollten die Pilger dann, akustisch von moderner und klassischer Musik des Domkapellmeisters begleitet, zunächst in Richtung Altar, dann um den Chorraum herum, am Dreikönigsschrein vorbei, zum Nordportal wandeln und den Dom dort wieder verlassen. Theoretisch jedenfalls.

In gutem Lichte

Praktisch allerdings ließen sich die jungen Gläubigen eben Gott sei Dank nicht wie eine Herde Schafe durch Gitter drängen und auf vorgeschriebene Wege zwängen: Sie wollten bereits vom ersten Tage an den weltberühmten Kölner Dom durch das Hauptportal betreten, im Innern ganz frei umher wandeln und ihn nach Lust und Laune verlassen. Offenbar eine Überraschung für die Organisatoren. Und Grund genug, die Eingangssituation kurzerhand radikal „umzugestalten“.

Schwerer aber mag bei dieser Entscheidung der Einspruch des Fernsehens gewesen sein: über eine raumgreifende Installation im Eingangsbereich des Domes war der WDR vorab nicht informiert worden. Mit den gewählten Kamera-Positionen konnte der Papst deshalb beim Betreten der Kathedrale nicht gefilmt werden – immer waren diese schrägen, weißen Wände im Weg.

Deshalb betritt Benedikt XVI. nun also gerahmt von den, immerhin, beibehaltenen Leuchtkästen das Gotteshaus . Vielleicht verwandelt das Licht aus 200 Leuchtröhren ihn dann ja sogar in eine Art „Erscheinung“. Kein ganz abwegiger Auftritt, schließlich ist der Mann Popstar.

Ulrich Grützner

WJT 2 narthex

Das Dominnere vor dem Ansturm der Pilger.

Foto: team-nartheX

WJT 3 narthex

Die Installation setzte sich ursprünglich auf dem Domvorplatz fort. Dieser Teil allerdings wurde nie realisiert.

Foto: team-nartheX

WJT 4

Die aussteifenden Streben sollten dem nach oben blickenden Pilger optischen Halt geben.

WJT 5

Während der Fernsehübertragung des Papst-Gottesdienstes sollen zahlreiche Lichtballons den Dom deutlich aufhellen.

WJT 6

Türhohe Leuchtkästen weisen den Pilgern auch weiterhin den Weg.

WJT 7 narthex

Der Traum ist aus.

Foto: team-nartheX

20 Kommentare

ich finde die lichtinstallation sollte auch entfernt werden! entwerder 100% oder gar nichts… ich bin nach wie vor sehr enttäuscht darüber, wie das wdr klammheimlich agiert hat.
aber undank ist der welten lohn…

wegen der Art und Weise, wie diese Angelegenheit behandelt wurde, werden es sich die jungen Studenten in Zukunft sicher gut überlegen, ob sie noch einmal für „Kirche“ ohne Entlohung arbeiten.
– so motiviert man die Jugend !! –

Die Inszenierung der Wallfahrt zum Dom war perfekt geplant, der Bedarf einer Schleuse als Ruhepunkt sensibel erkannt, die Umsetzung der Idee durch den narthex-entwurf folgerichtig, die Entscheidung des Domkapitels weltoffen und zugleich mutig.

Das Ende macht nachdenklich.

Willkommen zum WeltPAPSTtag, hereinspaziert, der Weg ist frei, wer hat noch nicht- wer will nochmal? wen interessieren schon Tausende von rausgeworfenen Euros, bei all den Millionen doch Peanuts. Da hätte man die auch gerade in Essen für die „hungernden“ Volunteers und Pilger investieren können…Treten wir 2 Monate Arbeit mit Füßen und springen auch noch auf den abgerissenen Wänden rum, ganz zu Schweigen vom „Herumtreten“ auf der Arbeitsleistung und dem Einsatz der Planer. Ein „Heiden“spass muss es gewesen sein, zu sehen, wie wochenlange Arbeit in 1 Stunde niedergerissen wird.

Es hat nicht funktioniert! Egal wer wieviel reigesteckt hat und wer Schuld hat – wenn es nicht funktioniert muss es weg und zwar sofort. Das ist eben so und da hilft kein Jammern.
Trotzdem fand ich den Einsatz super.

Schade! Es tut mir leid für das team narthex die mit so viel Idealismus und Engagement an der Sache gearbeitet haben.

„Das ist eben so“ ist eine typische Totschlag-Argumentation ohne wirklichen Inhalt.
Den Versuch, das Geschehene durch ein „trotzdem fand ich den Einsatz super“ abzuschwächen, kann ich nur milde belächeln.

Seltsam! Es hat doch funktioniert! Wir sind mit der Familie durch gelaufen. Es war eine angemessene atmosphärische Situation, welche sehr beruhigend wirkte. Jammer das die Verantwortlichen dies nicht bemerkt haben! Wir wünschen den jungen Studenten viel Glück! Kopf hoch, nicht alle Bauherren sind so inkonsequent.

Bezug Andreas Walz.
Niemand jammert. Das haben wir auch wirklich nicht nötig. Wir haben gute Arbeit geleistet und alles plangemäß ausgeführt. Wir finden nur die Art und Weise wie die Dinge gelaufen sind nicht nur respektlos, nein geradezu „unchristlich“.

Noch was:
Lieber Herr Walz, Ihre Meinung ist besonders dann zu verstehen, wenn man weiß, dass Sie auf der Lohnliste des Metropolitankapitels stehen.

Liebe Komilitonen, es tut mir echt super leid, wie das da wohl bei Euch gelaufen ist! Ich weiß wieviel Arbeit, Streß und Freude Ihr hattet!
Ich hab am Don. extra den Fernseher laufen lassen, um Euer „Narthex“ zu sehen und mich mit Euch zu freuen! War geschockt, als ich NICHTS sah!
Die Kirche ist noch nie mit der Zeit gegangen und wie es aussieht will sie das auch nicht ändern! Schade!!!
Macht weiter – es gibt noch ganz andere Auftraggeber! 🙂

Lg JJ

ich finde die schleuse past nicht zum erscheinen des domes. die pilger kommen von weit her und ich finde sie sollten den dom so zu gesicht bekommen wie er auch sonst zu sehen ist. der oder die erbauer des domes haben sich schon selbst gedanken darüber gemacht was für einen eindruck der eintretende bekommen soll, wenn er den dom betritt. von daher ist solch eine schleuse nicht nötig. das team der schleuse hätte sich eher auf die architektur des domes einstellen sollen, sodass eine mögliche schleuse auch zum äuseren erscheinen des domes passt.

Das Konzept hört sich gut an, die Photos sprechen für sich! Es wäre bestimmt ein highlight gewesen in den Tagen des WJT. Schade, daß die Schleuse nur einen kurzen Auftritt hatte. So wurde Papst Benedikt leider um einen besonderen Weg gebracht.
Bin gespannt, wie die Sache aufgearbeitet wird. Trotz alledem:
Die Schleuse war phänomenal!

Erstmal möchte ich etwas zu dem Kommentar von noone loswerden: Ich glaube kaum, dass die Erbauer des Doms sich vor Hunderten von Jahren Gedanken darüber gemacht haben, dass so etwas wie der WJT jemals stattfinden wird. Von daher ist der Dom für eine solche Menschenmasse nicht ausgelegt und man muss diesen ein wenig diesem Ereignis „anpassen“. Ich bin selber durch die Schleuse gegangen als sie noch stand und muss sagen, dass dies schon ein Elebnis für sich war, da es erstaunlich war, innerhalb von ein paar Sekunden von totalem Chaos zur Ruhe gebracht werden zu können. Als ich aber am nächsten Tag nochmal kam, war die Schleuse leider schon weg, worüber ich sehr enttäuscht, wenn nicht sogar schockiert war.

Ich muss gestehen, dass die Räumung des Doms von den Bänken den Charakter der ‚Gottestadt‘ sehr gut rausgebracht hat. Die Leute bewegten sich im Dom wie in einem Stadtraum (Piazza), nicht mehr wie in einer Kirche. Dieser Raum setzte sich fast nahtlos durch das offene Portal in die Stadt fort. Dieses Raumerlebnis wäre durch den Narthex so nicht möglich gewesen. Der Narthex-Ansatz ist interessant, aber meinem Empfinden nach nicht so stark wie der Eindruck des unmöblierten ‚reinen‘ Raumes. Und so wichtig die Inszenierung von Ruhe-, Schleusen- und Schwellenpunkten auch ist: Bei einem spirituellen Raum wie dem Dom ist es vielleicht nicht gut, einen transitorischen Ort wie das Portal ‚auf Teufel komm raus‘ mit einer Besinnungsfunktion aufzuladen, die dazu noch räumlich so stark reliefiert und ‚unruhig‘ ist.

Die Installation war ein reiner Fremdkörper, der keine Berechtigung im Kontex zur bestehenden Architektur gerecht wurde. Jeder der den Kölner Dom schon einmal betreten hat sollte überlegen, ob eine Schleuse nötig ist? Meiner Meinung nach hat dieses Bauwerk die eigenen Kraft den Vorplatz vom Dominnern zu trennen. Ein Weg ist mehr als eine Umrahmung von Wänden. Die Bezeichnung Narthex im Zusammenhang mit Schäfung der Sinne, Weg in die Stille etc. sollte vielleicht auch noch einmal überdacht werden. Es war eine richtige Entscheidung das Bauwerk zu entfernen. Aber es war eine falsche Entscheidung es an diesem Platz zu errichten. Die leidtragenden sind die Studenten die Zeit, Arbeit und Gedankengut in dieses Projekt investiert haben. Diejenigen,die dieses Projekt im Vorfeld betreut haben sollten sich Gedanken machen, ob sie ihre Aufgabe erfüllt haben.

Wie bekommt man die eintreffende Menschenmenge der Domwallfahrt einigermaßen vorbereitet auf das spritutelle Erlebnis „Kölner Dom“? Wie trennt mann die Unruhe vom Pilgerweg von der Bastei bis zum Vorplatz von der geistlichen Wirkung des Innenraumes der Kathedrale?
Das war die Aufgabe an die Architekturstudenten der Uni Siegen zunächst durch die Kölner Dommusik, die die Aufgabe übernommen hatte, von morgens 6 bis nachts um 1 die Domwallfahrt musikalisch zu gestalten (was sie auch trotz Frust vorbildlich geleistet hat!). Das Domkapitel, der WJT und der Kardinal waren mit der Idee einverstanden: Trennen der geplanten 6-er Reihen im Wallfahrtsweg auf die vier Schleusenwege,um Unterhaltungen zu unterbrechen, Ruhe herzustellen und Staunen zuzulassen.( Am Dienstag war der Ordnungsdienst vor dem Dom hierfür noch nicht vorgesehen). Das Licht der Schleuse hätte die Sinne der Menschen gewissermaßen abgeklärt (wenn nicht die unsäglichen Scheinwerfer des WDR am Dienstag den Hereinkommenden permanent geblendet und diesen Effekt zerstört hätten!). Ja, die Verstrebungen im oberen Bereich störten den ersten Blick nach oben sehr! Aber die Korrektur war pünktlich vor Wallfahrtsbeginn für Dienstag Nacht vorgesehen! (Die Wallfahrt und die Schleuse waren für Mittwoch Morgen geplant und nicht für einen unkontrollierten Menschenstrom am Dienstag! Eine Korrektur war der Menschenmassen wegen nur in der folgenden Nacht möglich.) Das Wahrnehmen von Musik hätte nach dem einzelnen Eintreten in das Abbild des „Himmlische Jerusalem auf Erden“ eine Wiederaufnahme der Gespräche nicht ohne weiteres zugelassen. Die Idee war sinnvoll, die Ausgestaltung durch die Studenten sehr gut überlegt, die Installation gut ausgeführt aber eben noch nicht ganz fertig, die Entscheidung zum Abriss voreilig und ohne Beteiligung der Ideen-Geber. Enttäuschend und peinlich zugleich nicht nur vor den Studenten und Frau Prof. Wirtz ! „Die Kirche ist jung“, aber auch immer noch ein wenig von 1248 – aber eben nicht nur! Danke an Euch von Nathex! Ihr ward wirlich gut!
Winfried Krane

„…Ja, die Verstrebungen im oberen Bereich störten…“, „..aber eben noch nicht ganz fertig..“ Bin gespannt wie diese Architekten später ihren Bauherren gegeübertreten…Hier sind grobe Fehler in der Planung gemacht worden, das Resultat ist bekannt.

Die Narthex-Schleuse: Gießkannen zu Trichtern!
Auch ich finde bedauerlich, dass der Narthex-Schleuse ein so jähes Aus beschieden war. Auch über die Art der Vermittlung der Abrissentscheidung ließe sich manches sagen, – aber lassen wir das. Die Arbeit der angehenden Siegener Architekten fand ich aus mancherlei Gründen gut: Zum einen erinnerte sie mich in ihrer schrägen Erscheinungsform ein wenig an die expressionistische Architektur in Fritz Langs „Metropolis“ – ein unverdient unbeachteter Aspekt, oder etwa nicht? Welch ein Bedeutungshorizont hätte sich hier erschließen lassen können! Solch ein Zitat in einer solchen Umgebung wäre mindestens originell, – oder so. Davon abgesehen wurde aus schon den Bildern ersichtlich, dass das Ding leisten konnte, was von ihm verlangt wurde: Allen hier publizierten Einwänden zum Trotz, die besonders häufig auf bemängelten Kontrast zwischen alt und neu abheben – schon die im Kirchenraum durch die Entfernung der Bänke gegebene Situation war ja nicht mehr „konventionell“. Sollte sie wohl ja auch gar nicht sein. Sie ist einerseits sicher als Rückbesinnung auf den ursprünglich so freien Kirchenraum zu verstehen gewesen, andererseits aber auch ein Tribut an die Jugendlichkeit der Kirchentagsbesucher – sollte alt und „ehrwürdig“ mit jung und spontan versöhnen. Und das tat die Schleuse eben auch. Sie vermittelte zwischen alt und neu, zwischen Außen- und Innenraum, war in ihrer weißen Feierlichkeit durchaus nicht despektierlich oder respektlos und funktionierte als Passage vom Profanen ins Sakrale – wie gewünscht. Das eigentliche Problem scheint mir gewesen zu sein, dass sich die jungen Leute, ihre Wege in und vor allem aus dem Dom heraus nicht so kanalisieren und ritualieren ließen, wie sich die Verantwortlichen des Domkapitels vorgestellt haben. Dazu aber sollte man dann aber auch stehen. Vielleicht sogar darüber sprechen. Aus einer Gießkanne kann man eben nicht plötzlich einen Trichter machen. Die Studenten jedenfalls trifft keine Schuld. Weil sich die Planungsparameter in letzter Sekunde änderten, waren sie eigentlich nur noch die – im schlimmsten Sinne – Betroffenen.
Elmar Rodemeier

Nun wird doch so einiges klar…!

…Der Erzbischof hatte gesagt: „Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte.“

„nartheX“ war wohl solche „entartete“ Kunst!