Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Den Blick des Betrachters richten

Die Architektur von Peter Zumthor zum Beispiel lebt für Riehle sehr stark durch die metaphysische Ebene der radikalen Schlichtheit und starken Materialität. Das eigentliche Wesen d…

Die Architektur von Peter Zumthor zum Beispiel lebt für Riehle sehr stark durch die metaphysische Ebene der radikalen Schlichtheit und starken Materialität. Das eigentliche Wesen dieser Räume zweidimensional zu fassen, ist für ihn fast unmöglich. Atmosphärische Detailaufnahmen mit einer präzisen Licht- und Schattenwirkung kommen einem solchen Gebäude näher als der Versuch, es im Ganzen abzulichten. „Da bleibt die klassische Architekturfotografie völlig draußen. Das direkte Gegenteil ist O. M. Ungers. Einen Ungers-Bau zu fotografieren schafft ja jedes Kind. Man wird geradezu an die Stelle des besten Betrachtungswinkels geführt. Im Gegensatz zu Zumthors Gefühls-Gebilden ist Ungers Architektur eher gefühlsleer und rein rational inszeniert.“

Der Architektur entsprechend bricht Riehle mit seiner Fotografie auch übliche Wahrnehmungsmuster. Bei dem Victoria-Ensemble von Thomas van den Valentyn beispielsweise reizte es ihn sehr, der Irritation der schrägen Fassaden zu folgen. Eine Detailaufnahme nimmt dem Betrachter jegliche Anhaltspunkte der Orientierung. Dadurch entsteht ein surrealer Bildraum, der zum Nachdenken anregen soll. Eine Aufnahme des gesamten Gebäudeensembles hingegen hätte durch nachvollziehbare Fluchtpunkte die Wirkung der Architektur sofort erklärt.

In erster Linie ist es laut Riehle die Aufgabe des Fotografen, die Idee des Architekten, die dem Entwurf zugrunde liegt, in Bilder zu transportieren – im übertriebenen Sinne sogar, über die schlechte Bauausführung hinweg, die Idee des Architekten zu retten. „Das Abbild ist oft perfekter als die Architektur. Das führt dazu, dass die heutige Architektur-Hochglanzfotografie oftmals so glatt ist, dass man, wenn man davor steht, enttäuscht ist von der realen Situation.“

Sehen und Erleben

Nach seinem Studium und Stipendien in Paris und Zürich zieht Tomas Riehle nach Köln. Sein simpler Versuch der Akquise funktioniert: „Ich habe mir zehn Architekten ausgesucht, an die ich einen Brief ohne Bild und alles geschrieben habe. Zwei konnte ich dann tatsächlich als Kunden gewinnen; einer davon war Joachim Schürmann.“

Riehles letzte Schürmann-Arbeit ist eine Fassadenabwicklung des 300 Meter langen Baus der Deutschen Welle in Bonn. Das Foto besteht aus 86 Einzelbildern, die in genau berechneten Abständen parallel zur Fassade aufgenommen und später digital zusammengesetzt worden sind. Dieses von Riehle entwickelte Verfahren entspricht im weitesten Sinne einer Architekturzeichnung. Es ist eine multiperspektivische Darstellungsform, die es so in der Fotografie nicht gibt. Dennoch vermittelt sie den Anschein von Realität.

Riehles Traum ist es, dieses Verfahren auf die Länge von 3,8 Kilometer des Canal Grande in Venedig anzuwenden. „Eine Sicht, die sofort begreifbar macht, was Venedig ist: eine Ansammlung von bebauten Inseln, die durch Grachten voneinander getrennt sind. Dadurch entsteht eine hohe atmosphärische Dichte. Die klaren, fast perspektivelosen Fassadenabbildungen eignen sich auch für kunstgeschichtliche Betrachtungen.“

Fotografie im Zeichen der Kunst

Neben der Auftragsfotografie arbeitet Tomas Riehle auch konzeptionell künstlerisch. Einige seiner Werke sind im öffentlichen Besitz sowie in privaten Sammlungen vertreten. Dennoch steht Riehle dem Begriff Kunst sehr nüchtern gegenüber. „Etwas als Kunst zu bezeichnen hat keine großartige Aussage mehr. Ebenso bei der Fotografie: Das Hochpuschen in den letzten zehn Jahren ist eine Entwicklung des Kunstmarktes – das hat die Preise nach oben getrieben, ohne eine Aussage über die Qualität zu machen. Ich möchte die Entwicklung nicht schlecht reden, aber ich finde, dass eine Art Überhitzung stattgefunden hat. Bei Fotos, die im Diasec-Verfahren hinter Plexiglas kaschiert wurden, treten heute schon die ersten Probleme auf.“ Wider der Meinung, dass das Diasec-Verfahren dem Abzug zusätzlichen Schutz bietet, scheint es die Alterung eher zu begünstigen.

Ende der 1990er Jahre gewinnt Tomas Riehle einen Wettbewerb für die künstlerische Gestaltung eines U-Bahnhofs in Duisburg. Mit dem Architekten Jörg Husarek plant er die Ausführung seines Entwurfs. Auf jeweils 4,00 x 9,60 Meter große Emaillebleche werden sechzehn Motive seiner Schwarzweiß-Serie „Rheinbrücken zwischen Basel und Rotterdam“ gebrannt. Durch die Aneinanderreihung der Bilder wird der Rhein zu einem durchlaufenden Wasserband, welches durch das Blau des Fußbodens noch verstärkt wird. „Wenn man in dem Raum steht, hat man das Gefühl, man hat eine sehr weite Landschaft vor sich. Die Lesbarkeit der Brücken als eine Folge von Süden nach Norden entspricht dabei dem Fahren eines Dampfers.“ Während der Entstehungszeit musste Riehle sich vielen Widerständen stellen: „Als ich das alles durchgekämpft hatte, war ich froh, dass ich kein Architekt geworden bin – ich habe schon den schöneren Job!“

Ein Gefühl für Heimat

Riehles Lebensphilosophie ist es, sich an Schnittstellen zu bewegen. So gründete er in den 1990er Jahren mit vier Kollegen eine Bildagentur für Architekturfotografie, die heute an die 50 Fotografen vertritt. Sein aktuelles Projekt ist es, ein Museum für Architekturfotografie aufzubauen. „Ein Museum dieser Art gibt es noch nicht, obwohl Architektur eines der größten Themen seit Anbeginn der Fotografie ist.“

Mit Thomas Kesseler, Architekt und Bildhauer, und Martin Heerich, Architekt und Sohn von Erwin Heerich, plant Riehle innerhalb der nächsten fünf Jahren in Hombroich sechs Atelierhäuser, sowie das Museum auf einem Grundstück von etwa 30.000 qm zu bauen. Ein Förderverein für das Museum wurde schon gegründet und die ersten Gespräche mit Joachim Schürmann, der das Museum entwerfen soll, laufen.

Erwin Heerich entwarf die Bauten für das Museum Insel Hombroich. Riehle fotografierte nicht nur die „begehbaren Skulpturen“ seines Freundes und Lehrers sondern auch die Langen Foundation von Tadao Ando auf der Raketenstation Hombroich. Nun soll Hombroich zu seiner neuen Heimat werden.

Christoph Herkenrath

riehle_09_zumthor_khb

Kunsthaus Bregenz, Architekt: Peter Zumthor

riehle_08_jahrhunderthalle

Jahrhunderthalle Bochum, 2003, Architekt: Petzinka Pink Architekten

riehle_07_jahrhunderthalle

Jahrhunderthalle Bochum, 2003, Architekt: Petzinka Pink Architekten

riehle_11_schuermann_dw

Funkhaus Deutsche Welle Bonn, 2004, Architekten: Architekturbüro Schürmann & Partner

riehle_12_leipzig

Fassadenabwicklung eines Straßenzugs in Leipzig, Riehle entwickelte dieses Verfahren 1990 in Leipzig

riehle_13_venedig

Fassadenabwicklung, Studie in Venedig, 2003

riehle_14_rheinbrcke_kleveemmerich

Rheinbrücke zwischen Basel und Rotterdam, Kleve-Emmerich

riehle_15_rheinbruecke_karlsruhe_maxau

Rheinbrücke zwischen Basel und Rotterdam, Karlsruhe-Maxau

riehle_16_hombroich

Museum Insel Hombroich, 1985-2005, Entwurf: Erwin Heerich

riehle_17_langen_foundation

Langen Foundation, 2004/2005, Raketenstation Hombroich, Architekt: Tadao Ando

riehle_18_langen_foundation

Langen Foundation, 2004/2005, Raketenstation Hombroich, Architekt: Tadao Ando