Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Phänomen Raum

Unsere Reihe ‚Kölner Architekturfotografen‘ wird in diesem Monat fortgesetzt mit Tomas Riehle.

„Ich stelle mein Bild neben die Architektur. Es ist kein Abbild dieser Architektur, sondern eine Form, die viel von dieser Architektur transportiert – aber es ist nicht ihr Spiegel.“ Die Architekturfotografien von Tomas Riehle sind mehr als nur abgelichtete Linien, Flächen und Formen – sie stellen ein Erlebnis von Architektur dar. Riehle stammt aus einer Architektenfamilie. Doch der Wunsch, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, scheitert an seinem zu schlechten Abiturdurchschnitt. Auf der Suche nach einem artverwandten Gebiet entscheidet er sich, Industriedesign zu studieren.

Während des Studiums an der Folkwangschule in Essen kommt Riehle das erste Mal mit Fotografie in Berührung. Zunächst nutzt er das Medium als Mittel zum Zweck – zur Dokumentation seiner Produkt-Entwürfe. Dann entdeckt er die Möglichkeit, neben dem fotografischen Abbild, auch „Bilder“ ohne Stift und Pinsel erzeugen zu können. Er ist fasziniert. Als Autodidakt eignet er sich sowohl ein kameratechnisches als auch fotochemisches Wissen an. „Das ist typisch für mich. Ich bin auch heute noch jemand, der nie Gebrauchsanweisungen liest. Ich probiere alles aus.“ Riehle nutzt die Chance, die gesamte Kamera- und Laborausrüstung eines alten Fotografen zu kaufen und ist mit einem Mal im Besitz von zwei Großformatkameras. Eine alte Mittelformatkamera ergänzt seine Ausrüstung.

Das Auge dem Objektiv anvertrauen

Riehle beginnt sein Studium in neue Bahnen zu lenken und beschäftigt sich während des Hauptstudiums ausschließlich mit fotografischen Themen. Er setzt sich mit dem Phänomen Raum auseinander. Dabei kommt es ihm weniger auf den „konkreten“ als auf den „gefühlten“ Raum an. „Die Weite der Landschaft zum Beispiel – wie kann man einen solchen Raum überhaupt darstellen?“ Weiterhin thematisiert er in Bildsequenzen das Sehen während einer Bewegung.

Nach seinem Abschluss an der Folkwangschule schreibt sich Riehle an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf ein und studiert dort als Meisterschüler des Bildhauers Erwin Heerich. „Auch wenn ich mich durch das Medium der Fotografie und nicht der Bildhauerei ausdrücken wollte, war dennoch die Art unseres Denkens verwandt. Heerich war für mich ein idealer Gesprächspartner. Am meisten habe ich von Nicht-Fotografen gelernt!“

Riehles Faszination gilt dem metaphysischen Raum von Architektur. Dabei liegen seine Vorbilder weniger in der Fotografie als etwa in der Malerei. „Vermeer ist mir wichtig. Er hat in seinen Bildern Räume konstruiert, die meinen Vorstellungen entsprechen. Seine Bilder sind anrührend und trotzdem klar – da wird mir jedes Mal ganz warm ums Herz. Oder Matisse – diese Flächigkeit und trotzdem dieser Raum – eine Komposition aus Gegensätzen.“

Raum-Zeit-Dimension

Riehle braucht eine gewisse Distanz, aus der er Dinge betrachtet und an ihnen teilnimmt. „Der Prozess des Fotografierens an sich ist nicht aufregend, sondern hat vor allem mit Ruhe und Versunkenheit zu tun. Die Fotografie zwingt zum Nachdenken und bekommt ihre Impulse nicht aus der Bewegung, sondern dem Anhalten.“ Sein besonderes Anliegen ist es, der Fotografie „Raum“ und „Zeit“ einzuhauchen. Der rein dokumentarische Aspekt der Architekturfotografie ist ihm zu wenig. Seine Bilder sind Interpretation und Inszenierung: „Unter anderem suche ich auch immer nach einer Störung und stelle mir die Frage, wie ich durch meinen Bildaufbau einerseits Gleichgewicht, andererseits aber auch eine Gegenkraft erzeugen kann?“ So gehen seine Fotografien weit über das Abbild hinaus und geben dem Betrachter die Möglichkeit, ein Erlebnis zu spüren, das mit der Architektur zu tun hat.

Riehles Verständnis von Raum ist nicht drei- sondern vierdimensional. Ein dreidimensionaler Raum ist für ihn ein theoretischer, losgelöst von jeder Form der Sinnlichkeit. Die Möglichkeit der Bewegung im Raum weckt die Sinne, und der Mensch beginnt den Raum zu hören, zu riechen, jeden Luftzug zu spüren. Dieser Vorgang der Betrachtung bedeutet Zeit und öffnet somit die vierte Dimension. Ebenso verhält es sich mit der Fläche. „Die dritte Dimension im zweidimensionalen Entwurf vorweg zu nehmen ist auch die große Aufgabe der Architekten. Das Modell erklärt dann die dritte Dimension aber noch nicht, wie der Bau von seiner Materialität und seinen Gerüchen her sein wird.“

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Tomas Riehle, Jahrgang 1949

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Rue des Hautes Formes, Paris, diese Arbeit entstand 1981 während seines Stipendiums in Paris, Architekten: Potzamparc, Benamo

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Museum Insel Hombroich, 1985-2005, Entwurf: Erwin Heerich

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Museum Insel Hombroich, 1985-2005, Entwurf: Erwin Heerich

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Stadttor Düsseldorf, 1998, Architekt: Petzinka Pink Architekten

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Stadttor Düsseldorf, 1998, Architekt: Petzinka Pink Architekten