Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Neuland entdecken“ – auf einer Altlast

Die ehemalige Leverkusener Deponie Dhünnaue-Mitte wird für sechs Monate zur Landesgartenschau 2005.

„Wir wollten den Park von Anfang an so gestalten, daß die Menschen ihren Frieden mit dem Gelände schließen“, sagt der Geschäftsführer der Landesgartenschau, Hans-Max Deutschle. Denn was hier schon einmal gelang, könnte auch ein zweites Mal funktionieren: die Verdrängung einer Giftmülldeponie aus dem kommunalen Gedächtnis.

Wo ehedem das Flüßchen Dhünn in den Rhein mündete und mit seinen Hochwassern den späteren Leverkusener Stadtteil Wiesdorf regelmäßig überschwemmte, wurden ab 1918 Deiche zum Schutz der Bewohner aufgeschüttet. Zwischen 1923 und 1965 landeten dabei auch drei Millionen Tonnen Bauschutt, Hausmüll und chemische Abfälle auf dem Gelände. Nach dem Krieg entstanden darauf dann eine Schule, ein Altenheim und Wohnungen für 800 Menschen.

Zufälliger Sanierungsbedarf

Als in den 1980er Jahren die 280.000 Quadratmeter mit Rheinblick baulich einträglicher genutzt werden sollten, stellten Experten eine hochgradige Verseuchung der Rasenflächen und Spielplätze fest. Die Behörden reagierten schnell – mit dem Aufstellen von aus öffentlichen Grünanlagen bereits bekannten Schildern: „Betreten der Fläche außerhalb befestigter Wege verboten – Der Oberstadtdirektor“. Ein Gutachten zur Gefährdungsabschätzung empfahl den Abriß der einfachen Nachkriegsbebauung, die Schule wurde geschlossen.

Für 110 Mio. €, gezahlt zu drei Vierteln von der Bayer AG und zu einem Viertel von der nach dem Farbenhersteller Carl Leverkus benannten Stadt, wurde das Gelände nach oben hin durch mehrere, teils wasserundurchlässige Schichten abgeschlossen. An den Seiten zog man zum Schutz des Grundwassers eine bis zu 38 Meter tiefe und 3,5 Kilometer lange Betonsperrwand ein. Lediglich nach unten hin verzichtete man wegen der hohen Kosten auf eine Absperrung – und nahm damit, laut Kritikern, bei einem Rheinhochwasser das Ausspülen der ansonsten gut verpackten Gifte in Kauf.

Leverkusen am Rhein

Der im Jahre 2000 zur Umwandlung der ehemaligen Deponie in einen städtischen Park europaweit ausgelobte Ideen- und Gestaltungswettbewerb machte es den letztlich 37 Teilnehmern nicht gerade einfach: Beibehaltung der bereits angelegten Oberflächenform, Verzicht auf Wasserflächen und tief wurzelnde Bäume, Beachtung aller unterirdisch vorhandenen Leitungen, Einbindung der Bevölkerung. Zuvorderst aber galt es, Leverkusen endlich wieder an den Rhein anzubinden.

Der Landschaftsarchitekt Rüdiger Brosk aus Essen und das Architekturbüro Agirbas/Wienstroer aus Neuss überzeugten die Jury schließlich mit Ihrem Entwurf „Bumerang – Park der Bewegung“. Der Park wird in vier unterschiedliche, durch vier neue Brücken verbundene Bereiche unterteilt: durch den „naturnahen Waldgürtel“ fließt die aus dem Betonbett befreite Dhünn, die großen Wiesen des „klassischen Rheinuferparks“ sollen zu Picknick und Ballspiel einladen, die „Rheingärten“ bieten Anregungen zur Verschlimmbesserung des eigenen Gartens. Zentrum aber ist der „sehr abwechslungsreiche Bumerang“ mit diversen Themengärten auf acht terrassierten Ebenen, einem Blumenfluß, Spielplätzen und dem „Aktuelle-Stunde-Garten“ des WDR.

Mehr als Blumen

Insgesamt 150.000 Quadratmeter Rasenfläche, dazu 93.000 Stauden, 85.000 Blumenzwiebeln, 22.000 Sträucher und 1.000 Bäume sowie seit März diesen Jahres noch 20.000 Stiefmütterchen, Tulpen und 3.000 Dahlien suchen nun mit Jahreszeit-abhängigen floralen Farbfeuerwerken die Aufmerksamkeit des Besuchers zu gewinnen. Sind die Blumen nach Sonnenuntergang vom vielen Blühen erschöpft, sollen Lesungen, Theater, Kabarett und „fetzige Konzerte“ die erwarteten 500.000 Besucher bei Laune halten.

Aber nicht nur um Unterhaltung geht es hier. Die große finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes ist für Ministerpräsident Peer Steinbrück, wie könnte es anders sein, auch ein Stück Wirtschaftsförderung. Denn „30% aller in Deutschland verkauften Pflanzen kommen aus NRW, damit bietet dieser Zweig mehr Arbeitsplätze als die Steinkohleförderung.“

Verbesserte Lebensqualität der Bürger als Wirtschaftsgut also. Gut, daß dabei das angestrebte Ziel des Parks erreicht wird: ein offensiver Umgang mit dem historischen Erbe und den örtlichen Gegebenheiten findet nicht statt, eine zeitgenössische Gestaltung war offensichtlich nicht erwünscht. Dazu Oberbürgermeister Ernst Küchler: „Mit der Landesgartenschau bricht für uns ein ganz neues Lebensgefühl an. Leverkusen ist endlich eine Stadt am Rhein mit Rheinpromenade, Schiffsanleger und Rheinuferpark!“

Wie schön!

Ulrich Grützner

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Nicht nur auf dem Plan sucht das Auge nach etwas zum Festhalten.

Grafik: LaGa Leverkusen gGmbH

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Herunterfallen kann man von der 160 Meter langen ‚Neulandbrücke‘ nicht: Plastik-Terrakotta-Töpfe an den Brückenköpfen wissen das zu verhindern.

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Der St. Antonius-Steg kragt sehr weit aus – schafft es aber trotzdem nicht, über dem Rhein zu enden.

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Regionale Künstler präsentieren Ihre Werke: hier sieht man, wie sich ein Bienenschwarm in einem Baummännchen versteckt.

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Dem Stein-Greifer gelingt es deutlich schlechter, sich hinter einer Laterne zu verstecken.

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Jugendliche können sich im Skaterpark mal so richtig austoben – farbenfrohe Blumenrabatten behindern sie dabei nicht.

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Dank Gräberausstellung läßt sich schon einmal über das allerletzte eigene Gärtchen nachdenken.