Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Alles nur Fassade?

Ein Kölner Stadtportrait – Architektur, Straßen, Fassaden in einer Ausstellung des Fotografen Reinhard Matz

Riemchen-Klinker, vorgehängte Kunststoffformteile, farbige Putzflächen und immer wieder die Fliese. Kölner Fassaden sind das Thema einer Ausstellung, die derzeit im Forum für Fotografie zu sehen ist. Der Fotograf und Medienwissenschaftler Reinhard Matz hat sich das Kölner Stadtbild vorgenommen: Von 2001 bis 2005 durchwanderte er die Stadt, immer mit der Digitalkamera in der Tasche. Er vermied dabei die bekannten Ansichten, Orte und Bauwerke und konzentrierte sich auf alltägliche, gleichwohl in ihrer Summe stadtbildprägende Straßenzüge und Bauten. Entstanden ist ein Querschnitt durch die Kölner Fassadengestaltung mit dokumentarischem Charakter, abseits der architektonischen Gestalt.

Fassade als Verpackung

Traditionelle Fotobände über Köln sind üblicherweise groß, bunt und nett. „Damit verspielen sie einen Blick auf das Spezifische der Stadt“, so Reinhard Matz, „denn das eigentliche Kölnbild ist individueller, spröder, stilloser und befremdlicher – oder, je nach Gemüt und Stimmungslage, auch lebendiger, vielschichtiger, überraschender und amüsanter.“ Die Fassaden, die ja wörtlich genommen die Gesichter der Stadt ausmachen zeigen auch das Verhältnis zwischen Verpackung und Verpacktem und die Spannung zwischen Innen und Außen. Zahlreiche Bildbeispiele dieser Ausstellung zeigen auf, wie Fassaden Ideen und Innenleben von Haus und Bewohner verkörpern.

Köln ist provinziell

Zu sehen ist keine Großstadtarchitektur. Abwandlungen, Dekoration und Übermalungen prägen Fassaden und Bilder und dokumentieren damit den sich wandelnden Zeitgeschmack ihrer Besitzer. Häufig fallen die stilistischen Unterschiede von Haus zu Haus ins Auge und zeigen die Anarchie der Gestaltung im Detail. Zusammengenommen entsteht ein bizarres, teilweise auch amüsantes Bild der viertgrößten deutschen Stadt, die an vielen Stellen ein überraschend kleinstädtisches Gepräge erhalten und auch angenommen hat.

Dokumentation oder Kunst?

Über die Bestandsaufnahme hinaus wohnt vielen der Bilder eine ganz eigene Ästhetik inne ohne die architektonische Ästhetik anzusprechen. Es sind nicht die grafischen, fast wie abstrakte Malerei komponierten Bilder eines Boris Beckers oder eines Götz Diergatens. Auch wer architektonische Innovation sucht, wird enttäuscht sein. Matz zeigt vielmehr die Ästhetik der Anarchie im Gebauten wie in der Fotografie. Wie Schnappschüsse wirken viele der mit einer kleinen Digitalkamera entstandenen Bilder. Die Form der Fotografie ermöglichte dem Fotografen eine unbeschwerte, spontane Arbeitsweise. Er wollte, wie er sagt, „nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“ Auch für die Ausstellung ging es ihm nicht um Bilder im Imponierformat, sondern um die Genauigkeit des Hinsehens. „Mich interessiert weniger, dass Hausbesitzern das Geld für neue Fenster oder einen Fassadenanstrich fehlt. Das ist bedauerlich. Erstaunliches geschieht, wenn Geld da ist. Hier existiert kein Maßstab, kein Kanon, keine Orientierung. Allenthalben wird gebastelt.“

So entstand eine umfang-, facetten- und detailreiche Arbeit zum derzeitigen Bild der Stadt. Die Ausstellung zeigt rund 200 kleinformatige Fotografien, über 250 finden sich im gleichnamigen Buch. Wenn man später einmal sehen möchte, wie Köln am Anfang des 21. Jahrhunderts ausgesehen hat, wird man es in den Fotografien von Reinhard Matz entdecken können. Dieser Fotoband soll durch einen im Herbst erscheinenden Textband mit Beiträgen verschiedener Autoren zum Thema „Stadtgestaltung in Köln“ ergänzt werden.

Die Ausstellung Fassade.Köln ist im Forum für Zeitgenössische Fotografie, Schönhauser Straße 8 noch bis zum 3. April zu sehen.

Das gleichnamige Buch ist im Emons–Verlag erschienen und kostet 14,80 €

Weitere Infos: www.matzfotografie.de

Barbara Schlei
Redaktion

fassade Gereonswall60-58

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fassade Gereonswall37

Gereonswall 37

fassade Fridolinstraße44-42

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fassade Schaafenstraße35-43

Schaafenstraße 35-43

fassade UnterKranenbäumen81-85

UnterKranenbäumen 81-85