Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Neue Aufgaben am schönsten Arbeitsplatz Deutschlands

Interview mit Birgitt Borkopp-Restle, neue Direktorin des Museum für Angewandte Kunst

Seit dem 1. Februar 2005 ist Birgitt Borkopp-Restle neue Direktorin des Museums für Angewandte Kunst. Bisher hatte sie die Textilsammlung des Bayerischen Nationalmuseums in München geleitet. Annika Wind sprach mit ihr über angewandte Kunst und Architektur, den Abriss der Oper und ihre Arbeit am schönsten Arbeitsplatz Deutschlands.

Warum sind Sie nach Köln gewechselt, was hat sie gereizt?Im Verhältnis zu der Aufgabe, die ich bisher in München hatte, ein größerer Gestaltungsspielraum mit neuen Aufgaben, für die ich mich einerseits gut gerüstet fühle, die ich andererseits als Herausforderung sehen konnte.

Sie sind in Neuss geboren. Sind sie gern ins Rheinland zurückgekommen?

Ich bin gern nach Köln gekommen, aber das zurück höre ich nicht gern. Ich möchte nicht, dass dieser Schritt wahrgenommen wird als „Jetzt ist sie wieder zu Hause“. Ich bin froh, dass es Köln geworden ist und fühle mich wohl hier. Aber es hätte auch eine andere Stadt werden können. Da war wirklich die Frage: Ist die Aufgabe interessant, ist das eine Stadt, in der ich mir vorstellen kann, zu leben. Da beide Fragen mit ja zu beantworten waren, ist es jetzt Köln.

Würden Sie sich als Rheinländerin bezeichnen?

Ja, absolut. Das habe ich auch in den zwölf Jahren in Bayern so empfunden. Ich habe da gerne gelebt und sehr gerne gearbeitet. Man braucht länger, um dort Fuß zu fassen. Aber zwölf Jahre sind eine Zeit, in der man natürlich auch ein paar Wurzeln schlägt. Genau so wie es aus meiner Studienzeit Freundschaften gab, die über die ganzen bayrischen Jahre gehalten haben, an die man jetzt anknüpfen kann, gibt es jetzt auch Freunde in Bayern, die mir bleiben.

Wie gefällt ihnen ihr neuer Arbeitsplatz?

Wunderbar, das kann ich ohne Einschränkung sagen. Ich finde, dass das Gebäude von Rudolf Schwarz außerordentlich qualitätvolle Architektur darstellt, und dass es im Bereich der Museen für Angewandte Kunst, die es in Deutschland gibt, einer der schönsten Arbeitsplätze ist.

Halten Sie das Gebäude für die Präsentation von Kunst heute noch zeitgemäß?

Architektur und zeitgemäß ist eine Frage. Es gibt auch Museumsbauten in dem Bereich, die 50 und mehr Jahre älter sind als dieses Gebäude. Ich würde sie deshalb nicht als zeitgemäß bezeichnen, aber sie haben dennoch einen besonderen Reiz. Ich finde, damit zu Recht zu kommen, ist immer eine Herausforderung. Es ist aber auch ein großer Gewinn, wenn man angewandte Kunst in einem Rahmen zeigen kann, der historisch auf sie berechnet wurde.

Welcher Aspekt der Kölner Sammlung reizt sie besonders?

Ich hatte mit dem zeitgenössischen Design bisher weniger zu tun, mein Gebiet ist eher das historische Kunsthandwerk. Was mich jetzt besonders reizt, ist Verbindungslinien und Brücken zwischen den beiden Bereichen herzustellen.

Planen Sie eine Neupräsentation der Sammlung?

Auf lange Sicht schon. Das ist aber auch eine Finanzierungsfrage. Das heißt, es wäre uns nicht möglich, große Bereiche sofort umzukrempeln, selbst wenn wir das wollten. Ich finde aber, dass die Präsentation immer noch überzeugend ist. Sie ist in den 1980er Jahren sehr gut und sorgfältig vorbereitet worden, so dass ich auch nicht unbedingt die Notwendigkeit sehe, da hinzugehen und zu sagen, ich mache alles neu. Es gibt allerdings eine Reihe von Bereichen, die ich gerne behutsam anpassen würde.

Welche Ideen wollen Sie in eine Neupräsentation einbringen?

Ich würde den Unterschied machen zwischen dem, was die ständige Präsentation ist und dem, was man in Sonderausstellungen zeigt. Bei der Dauerausstellung möchte ich prinzipiell bei der chronologischen Abfolge bleiben, durchaus auch bei bereits bestehenden Schwerpunktinseln. Wenn man jedoch einzelne Objektgruppen spezifisch in Beziehung zueinander setzen will, zum Beispiel aufgrund von Materialqualitäten, Verarbeitungstechniken oder handwerklichen Gegebenheiten, würde ich das nicht innerhalb der ständigen Ausstellung tun, sondern in Sonderpräsentationen. Dafür gibt es Überlegungen.

Das Museum für Angewandte Kunst wurde im 19. Jahrhundert als „Kunstgewerbemuseum“ gegründet.

Die Definition für die Kunstgewerbemuseen war im 19. Jahrhundert eine völlig andere als heute. Oder besser: Damals gab es eine, jetzt gibt es manchmal keine mehr. Man hat den Eindruck, dass es heute fast nichts gibt, das nicht unter dem Dach eines Museums für Angewandte Kunst stattfinden kann. Das gibt auf der einen Seite eine Menge schöner neuer Möglichkeiten. Andererseits fände ich es bedauerlich, wenn eine völlige Beliebigkeit daraus würde.

Was ist der Unterschied zwischen Kunst und Angewandter Kunst?

Im Prinzip der, dass die angewandte Kunst über die gestalterischen Aspekte hinaus jeweils eine Aufgabe zu erfüllen hat. Die Dinge haben einen Zweck und dem müssen sie taugen.

Was gehört für Sie in den Bereich der „angewandten Kunst“, was nicht?

Wenn ich sehe, dass angewandte Kunst davon ausgeht, dass die Gegenstände eine Gebrauchsfunktion haben sollten, dann ist umgekehrt deswegen noch lange nicht jeder Gebrauchsgegenstand angewandte Kunst. Ein Beispiel ist die Architektur: Ersetzen sie den Begriff einmal durch Baukunst: Jedes Gebäude, das irgendwo herum steht, hat jemand entworfen, jede Hochgarage, jeden Supermarkt. Als Baukunst würde ich die deswegen nicht bezeichnen. Das sind für mich dann Aspekte, die in meinen Augen unter dem Begriff Kulturgeschichte oder Volkskunde stehen, aber nicht unbedingt unter dem Begriff angewandter Kunst.

Wie stehen sie zu der Verbindung zwischen Architektur und angewandter Kunst?

Ich habe immer verfochten, dass die Architektur zu den angewandten Künsten gehört, wobei ich ausdrücklich sage, dass ich darin wie in anderen Gattungen auch die Grenzbereiche für besonders interessant halte. Wenn ich davon ausgehe, dass ein Werk der angewandten Kunst eine Funktion zu erfüllen hat, dann finde ich auch solche Arbeiten interessant, in denen diese Funktion auch mal bewusst außer Kraft gesetzt wurde. Wenn jemand zum Beispiel eine Architektur als begehbare Plastik entworfen hat. Oder sich sehr theoretisch damit auseinander setzt. Solche Beispiele helfen, unsere Wahrnehmung für den gesamten Bereich zu schärfen.

Es gibt langjährige Kooperationen zwischen Ihrem Museum und der „Plan“ oder den „Passagen“. Haben Sie vor, diese Kooperationen fortzusetzen?

Das werden wir auf jeden Fall tun, wobei ich Formen und Einzelaktionen jeweils überlegen muss. Aber insgesamt bin ich sehr froh darüber, und das Haus hat, gerade im Bereich Design eine sehr starke Position. Auch dank der Mitarbeiter, die sich da über viele Jahre sehr engagiert haben. Und dabei will ich auf jeden Fall bleiben.

Will das Museum also zukünftig auch als Forum dienen?

Absolut. Das fände ich eine ganz hervorragende Aufgabe für ein Museum für Angewandte Kunst.

Haben Sie da konkrete Ideen?

Ich denke, dass der Austausch für uns sehr wichtig ist. Auf der Ebene von Fachkollegen, von sachkundigen Menschen aus anderen Berufen, zum Beispiel Architekten, Designern, aber eben auch mit Bürgern. Das wäre das allertollste, wenn uns gelänge, Diskussionen über Gestaltung oder die gebaute Umwelt in der Stadt anzustoßen. Dann hätte ich das Gefühl, jetzt haben wir erreicht, was ich wollte.

Sie sind also zufrieden, dass das Museum für Angewandte Kunst einen Beitrag zur Diskussion der Riphahn-Bauten geleistet hat?

Absolut. Ich habe mich eher gewundert, dass im Zuge der Diskussion, die ja auch in der Presse mit einer gewissen Verve geführt wurde, die Besucherzahlen für die Ausstellung nicht sehr hoch waren.

Welche Meinung haben Sie zum Erhalt der Oper?

Ich würde auf jeden Fall eine Sanierung des Gebäudes für die richtige Art damit umzugehen halten. Dass man möglicherweise über die Gestaltung der Umgebung nachdenkt, das finde ich richtig, das betrifft aber einen größeren Kontext, in dem Architektur in Köln steht oder stehen sollte. Aber ich denke, das ist wirklich Teil der Geschichte der Stadt, wie sie sich nach dem Krieg und aller Zerstörung mit der Fläche und mit der Stadtgestaltung auseinander gesetzt hat. Die Zeugnisse, die davon stehen, und die qualitätvoll sind, sollte man in jedem Fall bewahren. Wenn Sie so wollen, spreche ich da natürlich aus dem Glashaus heraus.

Was wird ihr erstes Projekt in Köln sein?

Auf der einen Seite gibt es für die nächsten Monate ein kleines Ausstellungsprogramm, das bereits von den Mitarbeitern vorbereitet worden ist, bevor ich hierher kam, das ich jetzt aufgreife und umsetzen werde. Dazu gehört zum Beispiel eine Ausstellung zu Dominikus Böhm, die wir im Herbst vom Deutschen Architekturmuseum aus Frankfurt übernehmen. Das ist aber noch nicht mein eigenes Programm, das es natürlich auch geben soll, daran arbeiten wir gerade. Da es ja einige Zeit braucht, um eine Ausstellung vorzubereiten, wird genaueres erst in nächster Zeit erkennbar werden. Geplant sind kleinere Präsentationen, Veranstaltungen und aktive Programme.

Welche Ausstellung wird als nächstes zu sehen sein?

Es wird im Sommer eine Ausstellung über graphische Produkte geben. Im Rahmen der C/O-Pop, der Nachfolgemesse der Pop-Komm, zeigen wir dann CD-Hüllen, Flyer und Plakate im Zusammenhang mit Pop-Musik. Das ist auch eines der Projekte, die schon länger im Vorfeld geplant waren.

Haben Sie schon Ideen für ihre erste eigene Ausstellung?

Ideen gibt es diverse, das soll auch so sein, denn ich fange dann nicht mit einer einzelnen Ausstellung an, sondern mit einem Programm. Vergleichbar mit den Architekturausstellungen zu Riphahn, Schwarz oder Böhm, die ja nicht als Reihe geplant worden sind, die aber in gewisser Weise einen solchen Charakter haben. Ich finde es wichtig, dass ein Haus ein Profil hat. Bei dem die Leute sofort denken, diese Ausstellung hat in unserem Haus ihren Platz. So soll das auch mit anderen Themen und Themenreihen sein, die wir dann demnächst zeigen werden.

Birgitt Borkopp-Restle, Jahrgang 1958, studierte Kunstgeschichte, Anglistik, Romanistik, Byzantinistik und Ethnologie an der Universität Bonn und arbeitete einige Zeit am Kölner Schnütgen-Museum, bevor sie zum Volontariat nach Nürnberg ging. Sie promovierte zum Thema “Die Textilsammlungen des Aachener Kanonikus Franz Bock. Ein Beitrag zur Geschichte der Kunstgewerbemuseen im 19. Jahrhundert”

Als Expertin für das historische Kunsthandwerk hat sie eine Reihe von international bedeutenden Ausstellungen konzipiert und organisiert. Dazu zählen “Von China nach Byzanz. Frühmittelalterliche Seiden aus der Staatlichen Eremitage in Sankt Petersburg” oder “Mit großen Freuden, Triumph und Köstlichkeit – Textile Schätze aus Renaissance und Barock”. Die neue Museumsdirektorin ist Mitherausgeberin des Reallexikons zur byzantinischen Kunst und Vizepräsidentin der Textilforschungsgesellschaft CIETA (Centre International d`Etude des Textiles Anciens).

Birgitt Borkopp-Restle

Birgitt Borkopp-Restle.

Foto: Heiko Keppel