Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Renzo Pianos „Weltstadthaus“

Zwei Vorträge erläuterten beim BDA-Montagsgespräch den außergewöhnlichen Kaufhausbau für Peek & Cloppenburg.

Die architektonische Vision Renzo Pianos stand im Vordergrund des ersten Vortrags. Jo Ruoff, der zehn Jahre in dessen Pariser Büro gearbeitet hat, war bis 2003 an der Planung des Kaufhausgebäudes beteiligt. Nach seiner Deutung bezieht der Entwurf seine Kraft und seinen Ausdruck aus zwei Quellen.

Einerseits der besonderen Herausforderung eines „Weltstadthauses“, was für den Bauherrn architektonische Qualität auf höchstem internationalen Niveau bedeutet. Als Beleg wurden die Peek & Cloppenburg-Häuser von Richard Meier in Düsseldorf (Hauptsitz), von Gottfried Böhm in Berlin, von Rhode Kellermann Wawrowsky & Partner in Frankfurt am Main und von Josef P. Kleihues in Stuttgart genannt.

Renzo Piano verwirklicht den hohen Anspruch mit einer Art „Traumarchitektur“, die Klarheit mit Poesie und Leichtigkeit vereint. Jo Ruoff stellte den Bezug zu weiteren Projekten des Pariser Ateliers her. Insbesondere der IBM Travelling Pavillon mit seiner Rippenstruktur zeigt verwandte Ideen.

Ein außergewöhnliches Grundstück

Die städtebauliche Situation war es, wie der Vortragende kolportierte, die ungemütliche Grundstückslage an der Cäcilienstraße und über einem Tunnel der Nord-Süd-Fahrt, die in Renzo Piano den Wunsch nährte, an dieser Stelle etwas Optimistisches zu bauen.

Er hat das Kaufhaus zweiteilig konzipiert. An der Antonsgasse – vis-a-vis der klassischen Blockarchitektur – bildet eine Natursteinfassade ebenfalls eine harte Kante. An der Schildergasse begegnet die massive rechtwinklige Struktur einem filigranen gläsernen Bogen, der respektvoll vor der Antoniterkirche zurücktritt. Damit ist ein neuer Stadtraum geschaffen, der die Aufmerksamkeit auf die Kirche lenkt. Mit großzügigem Schwung wird die Schaufensterzone zur Cäcilienstraße verlängert und durch ein Vordach geschützt. Darüber setzt eine filigrane Glashülle an, die den Kernbau überwölbt und in einem transparenten Kopfbau über der Nord-Süd-Fahrt ausklingt.

Das Gewächshaus stand Pate

Die Besonderheit des fünfgeschossigen Stahlbetonbaus liegt in diesem gläsernen Mantel, der wie ein Überwurf über das Gebäude gelegt ist. Tatsächlich ist die Außenhaut vom Gebäude abgerückt. Zur Schildergasse, im Bereich des Atriums beträgt der Abstand über fünf Meter; im rückwärtigen Teil sind es 1,30 Meter. Getragen wird er von Holzleimbindern, die ein fächerartiges Rippensystem bilden.

Renzo Piano nimmt das Dach als fünfte Fassade des Gebäudes Ernst und widmet ihm die gleiche Aufmerksamkeit wie den Seiten, wie Luftaufnahmen zeigen. Kein Element des Baus wird gestalterisch vernachlässigt. Konsequenz und Sorgfalt bis ins Detail wertet Jo Ruoff als die besondere Qualität der Arbeit von Renzo Pianos Building Workshop.

Eine Herausforderung für die Konstrukteure

Den zweiten Teil des Abend bestritt Volker Misch, der für die Hochtief AG die Durchführungsplanung leitete. Mit großer Leidenschaft stellte er die Ingenieurleistungen dar, die die Umsetzung des Entwurfs erst ermöglichten, denn eine Glasfassade dieser Art wurde niemals zuvor gebaut. Und die Entwicklungsarbeit für einen Prototyp brauche eben ihre Zeit, sagte Misch im Hinblick auf die Dauer des Planungszeitraums.

Die gläserne Haut ist an einem Stahlbock aufgehängt und spannt sich zwischen 66 Holzleimbindern über eine Fläche von 5500 Quadratmetern. Es sind alles Unikate, ebenso wie die 6.800 Glasscheiben. Um den organischen Verlauf der Kurven zu realisieren, wurde jede nach einer individuellen Schablone millimetergenau von Hand gefertigt.

Das Thema Verformung stellte für die Konstruktion eine besondere Herausforderung dar. Es wurde gelöst über Windnadeln, die sich am Rohbau abstützen, und ein fachwerkartiges System aus Stahlrohren mit einer Diagonalverseilung. Ein innenliegender Sonnenschutz, der sich individuell hochfahren lässt, sowie Konvektoren an den Deckenrändern sorgen für ein gleichbleibend angenehmes Raumklima.

Ein Impuls zur Aufwertung des Ortes

Indem Moderator Klaus Jürgensen seiner Hoffnung Ausdruck gab, das Gebäude möge nicht nur einen neuen Akzent setzen, sondern zu einem Wegweiser innerstädtischen Architekturschaffens werden, wurde der Gesprächsteil eröffnet.

Auf die Frage „Was war vor Januar 2004?“ – denn Volker Mischs Präsentation hatte mit diesem Monat angesetzt – reagierten die Gäste im überfüllten Domforum amüsiert.

Der Bauleiter betonte erneut, dass man mit der Konstruktion technisches Neuland betreten habe. In der Planung eines solchen Objekts werde naturgemäß mehr Zeit benötigt als für einen vorelementierten Rasterbau. Er spielte damit auf die ursprünglich geplante Fertigstellung für 2002 an. Klaus Jürgensen assistierte ihm diplomatisch: Die Gesamtzeit, so befand der Moderator, sei dem Projekt angemessen, womit er die Bauunterbrechung von zwei Jahren stillschweigend einschloss.

Der Versuch, etwas über die Kostenseite des Vorhabens zu erfahren, schlug fehl. Die Antwort von Volker Misch blieb vage. Weder wurden die in der Presse mehrfach genannten 50 Millionen Euro noch eine andere Zahl genannt.

Positiv fiel die Publikumsresonanz für den respektvollen Umgang mit der Antoniterkirche aus, die – wie es wörtlich hieß – seit langem an der Schildergasse ein stiefmütterliches Dasein fristete. „Jetzt hat man hier einen neuen Versammlungsort und eine Fotografierecke geschaffen“, bemerkte ein Teilnehmer erfreut. Darauf Misch: „Wollen wir hoffen, dass da nicht gleich wieder eine Frittenbude davor steht!“

Die abschließende Erörterung galt eher praktischen Belangen. Wie denn die Scheiben zu reinigen seien, wollte ein Herr aus dem Publikum wissen. Im Inneren gibt es Reinigungswagen; alles Einzelkonstruktionen, wusste Misch. Außen jedoch ist eine Säuberung der Glasfassade mit Wagen nicht möglich. Noch fehlen Erfahrungswerte, wie häufig der Fensterputz notwendig sei, doch die Methode stehe fest: Geputzt wird von Hand.

Wer diese Vorstellung vertiefen möchte, wird auf der Seite hoehenarbeit-im-seil fündig.

Petra Metzger

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P&C Modell

Das Weltstadtkaufhaus im Modell.

Foto: HOCHTIEF Construction AG.

P&C Baustelle

Blick auf die Baustelle im September 2004.

Foto: HOCHTIEF Construction AG.