Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Das Loch als Chance

Nichts Neues vom Kölner Loch – aber wenigstens interessieren sich Architektur-Studenten aus dem 80 km entfernten Siegen dafür.

Für Diplomanden des Wintersemesters 2004/05 gab die in Köln lebende Entwurfs-Professorin Sibille Wirtz ein Thema vor, an dem das Architekturbüro Schneider + Sendelbach aus Braunschweig zu scheitern droht: dem Entwurf eines innerstädtischen Kulturzentrums auf dem Gelände der abgerissenen Josef-Haubrich-Kunsthalle – gemeinhin auch als „Kölner Loch“ bekannt.

Das Loch nicht mehr als Makel

„Trotz jahrelangem Vorlauf und einem entschiedenen Wettbewerb ist die Geschichte des geplanten Kulturzentrums am Neumarkt bislang alles andere als eine Erfolgsstory. Vielmehr ist der Umgang mit diesem kulturpolitisch und städtebaulich wichtigen Projekt von politischem Hin und Her geprägt. Als vorläufiges Ergebnis ist lediglich ein Loch zu verzeichnen. Auf dem freigeräumten Grundstück an der Cäcilienstraße in Köln soll ein Kulturzentrum entstehen, das den Bogen der Kunst von archaischen Anfängen über das Mittelalter bis hin zur zeitgenössischen Kunst spannt. Das angrenzende Museum Schnütgen – ein Kleinod sakraler Kunst des Mittelalters – soll angemessen erweitert werden und ebenso wie die Foren der angrenzenden Volkshochschule in einen kulturellen Verbund eingegliedert werden.“

Nicht als abschirmendes, oberirdisches Bauwerk sollten die Studenten das Zentrum also gestalten, sondern das Volumen des Loches dazu nutzen, neben dem Rautenstrauch-Joest-Museum und der Erweiterung des Museum Schnütgen auch ein Junior-Museum, eine Kunsthalle und den Museumspädagogischen Dienst unterzubringen. „Die vorhandene städtebauliche Situation würde somit in ein wirkliches großstädtisches Kulturzentrum integriert, das gekennzeichnet ist von Wegebeziehungen, Öffnungen und Platzfolgen.“

Umsetzung einer Vorgabe

Die gewünschte Bewahrung des Loches thematisierten die Studenten auf unterschiedlichste Weise:

Kai Hussings Haus der Kulturen etwa (Bild 1) soll nicht nur Hülle für ein Thema sein, sondern vielmehr einen Kulminationspunkt für die vielen in Köln lebenden Volksgruppen bilden. „Ein Gebäude, das in seiner Gesamtheit als Symbol für alle Kulturen und Völker verstanden und erlebt werden kann, mit dem sich jede Kultur und jedes Volk identifizieren kann.“ Für ihn ist die Sonne das einzige gemeinsame Symbol der Menschheit, daher orientiert sich das Gebäude ganz an ihrem Verlauf: die Form des südlichen Gebäudeteils folgt dem niedrigsten Sonnenstand, die des nördlichen Teils dem höchsten. Im Zentrum entsteht ein verschattungsfreier Platz, auf dem die Sonne während des gesamten Jahres über sichtbar ist.

Für Isabell Poorten (Bild 5) soll „die über die Grenzen der Stadt bekannte Baustelle eine Adresse erhalten (…) Durch die große homogene Platzfläche bleibt das Loch gleichsam weiterhin als solches im Stadtraum spürbar und trägt so dem Wunsch Rechnung, an die Ursprünge der Baustelle zu erinnern.“ Eine große Freitreppe führt in das Innere, der Passant taucht „Stück für Stück unter die Platzdecke und somit in fremde Kulturen ein, die laute Außenwelt bleibt mehr und mehr zurück. (…) So wird auf die Gegebenheit des ursprünglichen Loches verwiesen. Im Loch herrscht Ruhe, während sich über ihm der Verkehrslärm ausbreitet.“

Inga Rautenberg (Bild 6) wiederum möchte die vier Museen mit ihren verschiedenen Zeitepochen so miteinander verbinden, daß eine Schichtung der Kulturen entsteht. „Diese spiegelt sich in der Anordnung der Museen und ihrer Verzahnung innerhalb des Gebäudes wider. Von außen ist dies durch aus der Tiefe wachsende und ineinander greifende bzw. übereinander liegende Baukörper erkennbar.“

Stagnation – vom Abriss abgesehen

Wenn auch die in langen Stunden erarbeiteten Entwurfergebnisse zunächst ebenso wenig realisierungsfähig erscheinen wie der Siegerentwurf aus dem Jahre 1996, so bleibt der Versuch, neue Ideen und frischen Wind in die lähmende Diskussion zu bringen dennoch löblich.

Aber: Ist das Kölner Loch wirklich von einer solchen Relevanz, als das es einer langfristigen baulichen Thematisierung bedarf ? Und sollten universitäre Entwurfsaufgaben nicht dazu dienen, ganz eigene, abwegige Ideen zur Nutzung eines Geländes zu entwickeln, statt bereits vorgegebene Bauvolumen „dann eben unterirdisch“ unterzubringen ?

Und was war zuerst da: Henne oder Ei ?

Ulrich Grützner

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->Der Blick von unten

Lochchance_2_Kai Hussing

Bild 2 (Kai Hussing): Das südliche der begehbaren Dächer dient als Erweiterung des Innenhofs, das nördliche als Bindeglied zwischen dem Haubrichhof und den Bereichen um St. Peter.

Lochchance_3_Karina Nickel

Bild 3 (Karina Nickel): Spundwände bewahren das Kölner Loch vor dem Verschwinden. Darin windet sich eine Museums-Spirale (fast) bis zum Mittelpunkt der Erde.

Lochchance_4_Magdalena Pelka

Bild 4 (Magdalena Pelka): Zwei große Riegel sperren das Gelände ab und gewähren Zugang nur durch schmale Schlitze.

Lochchance_5_Isabell Poorten

Bild 5 (Isabell Poorten): Das Kulturzentrum umfaßt nicht allein das Baugrundstück, sondern integriert zugleich die bereits vorhandenen Kulturstätten.

Lochchance_6_Inga Rautenberg

Bild 6 (Inga Rautenberg): Einblicke in die verschiedenen Kulturen, sollen beim Besucher Interesse für einen Museumsbesuch wecken.

Lochchance_7_ Anne Wagner

Bild 7 (Anne Wagner): Eine moderne Skulptur im Loch wirbt stellvertretend für die zeitgenössischen Exponate des Museumskomplexes.