Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Köln – wer denkt da nicht an Wien?

‚Die Zukunft der europäischen Stadt‘ war Thema der Auftaktveranstaltung des neu etablierten ‚KAP Forum‘ am Rheinauhafen.

Forum und Community

Der Dialog mit dem architektur-, technologie- und designinteressierten Publikum soll im Kap am Südkai von nun an etwa 20 mal pro Jahr gesucht werden. Das Erdgeschoss des neu errichteten Gebäudes (Architekten: KSP Engel und Zimmermann) bekommt damit die von der Stadt zur Belebung des Entwicklungsgebietes geforderte öffentliche Nutzung.

Mitfinanziert wird das auf 130 m angesiedelte Forum von der sogenannten KAP Community, einer Gruppe von neun „designorientierten und gesellschaftlich interessierten“ Baustoffproduzenten. Nicht mittels reiner Produktshows, sondern vielmehr mit Hilfe themenbezogener Events möchte sich diese Gruppe am Kap präsentieren – und lässt, unter der Leitung von Andreas Grosz, zugleich Kopf des „Rotunda Business Club“, fast so etwas wie ein privatwirtschaftliches Haus der Architektur entstehen.

Stadt im Aufbruch

Von der bloßen Information hin zur aktiven Beteiligung jedes Einzelnen also !

Und genau dies war auch der Ratschlag des montäglichen Referenten, Prof. Dr. Klotz, Leitender Direktor für Stadtplanung aus Wien an die Kölner Kollegen: es sei fruchtbarer, mit zunächst leeren Händen und ehrlich vor die Bewohner zu treten und deren Anregungen und Hinweise dankbar anzunehmen statt die städtische Bevölkerung mit fertig ausgearbeiteten Plänen zu konfrontieren – von denen aufgrund der Vielzahl investierter Arbeitsstunden letztlich nur schwer abzurücken sei.

Ein überraschender Tipp eigentlich, erwarteten die Zuhörer in Sachen Wiener Stadtplanung doch eher eine der „imperialen Kapitale“ angemessene Vorgehensweise. Und weniger die empfohlene basis-demokratische, wie etwa beim 50-Orte-Programm, bei dem die Wiener explizit dazu aufgefordert waren, die Stadtplaner auf Missstände in ihrem Veedel aufmerksam zu machen und eigene Ideen zur Verbesserung einzubringen.

Sanft und langsam

Die offenbar entspannte Planungskultur Wiens äußert sich auch darin, einem Ort ganz einfach die Zeit zuzugestehen, sein Potenzial selbst zu finden. Nach Vollsperrung eines Abschnittes des Wiener Ringes für den Autoverkehr entwickelten sich schon bald spontane Nutzungen durch die Bevölkerung. Das veranlaßte die Planer dazu, den entstandenen Platz mit zahlreichen Strom- und Wasserauslässen auszustatten, die Oberfläche ganz einfach neu zu teeren und den Dingen ihren Lauf zu lassen – die Fläche ist heute eine der am intensivsten genutzten in ganz Wien.

Vielleicht aber hat die „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“ (so der Philosoph Sloterdijk) ihren Drang zur Drangsalierung aber auch schon in den frühen 1970er Jahren ausgelebt. Die Festlegung zahlreicher Schutzzonen insbesondere im 1. Wiener Bezirk, seit dem Jahre 2001 Weltkulturerbe, und eine „Bestandsorientierte Erneuerung“ sollten den Abriss und unkontrollierten Umbau des historischen Gebäudebestandes verhindern und die Veränderung der bestehenden Sozialstrukturen verlangsamen. Man konzentrierte sich auf die Verlagerung von Parkplätzen unter die Erde, auf Dachausbauten und größere bauliche Interventionen, wie die Umnutzung der Stadtbahnbögen oder die Errichtung einer neuen Hauptbibliothek.

Wende

Seit 1989 allerdings, nach erfolgreicher Geschäftsanbahnung mit dem ehemaligen Ostblock, insbesondere mit dem nur 55 km entfernten Bratislava, sieht sich die Stadt einer großen Nachfrage nach günstigen und modern ausgestatteten Büroflächen gegenüber. Das Stadtzentrum allein kann den Bedarf nicht abdecken und so sind in eng begrenzten Bereichen der Randgebiete des bisher weitgehend hochhausfreien Wien eine ganze Reihe von bis zu 200 Metern hohen Bürotürmen entstanden.

Zugleich sorgten die 100.000 neuen, zumeist aus den Balkan-Staaten zugewanderten Bürger für eine gesteigerte Nachfrage nach Wohnraum. Neben den 110 neuen Schulen und 250 Kindergärten sind seither 10.000 Wohnungen entstanden, 5.000 davon auf der grünen Wiese und 5.000 im Innenstadtbereich. Der Bildung von Ghettos wirkte man hier unter anderem mit einer ganz einfachen Regel entgegen: jeder der durchweg renommierten Architekten durfte Wohnkomplexe mit maximal 150 Einheiten planen.

Vergleich der Unvergleichbaren ?

Nicht nur hinsichtlich der höchst unterschiedlichen Nachfrage nach Büro- und Wohnraum, das verdeutlicht der Abend im KAP Forum, ist ein Vergleich von Wien und Köln bezogen auf den reinen Stadtkörper nur schwer möglich. Schließlich ist die eine Hauptstadt einer ehemaligen Monarchie und traditionell Verwaltungssitz, die andere hingegen seit 800 Jahren Bürgerstadt und in weiten Teilen Industriestandort, verfügt die eine über eine Vielzahl alter, prächtiger Bauten, ist die andere jung, ungeordnet und kleinteilig, ist die eine verhältnismäßig reich, die andere eher nicht.

Dennoch zeigen sich Bereiche, in denen voneinander gelernt werden kann: denn die immer kürzeren Wirtschafts- und Planungszyklen machen den Blick in die Zukunft überall unvorhersehbarer und die mit diesen Zyklen einher gehende stetige Vergrößerung der Parzellen führt überall zu einer schnellen Veränderung des Stadtgrundrisses. Die intensive Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und Regionen wird für alle Städte zunehmend wichtig, die gute Einbindung in internationale Verkehrssysteme hat eine immense Bedeutung für den Wohlstand einer Stadt.

So herrscht in einem Punkt an diesem Abend deshalb große Einigkeit: nur ein langfristiges Stadtentwicklungskonzept hat auch langfristigen Erfolg.

Ulrich Grützner

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