Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kolumba

Die „Madonna in den Trümmern“ ist wieder offen

Nur ein kleines Bauschild weist den Weg zum Eingang der Kapelle. So unscheinbar, dass es den Vorbeihastenden weder stört noch berührt, sondern nur den Spaziergänger, den Flaneur stehen bleiben lässt. Dieser wiederum wird die Anderen bemerken; Die, die zielstrebig – fast schon eilig – mit erwartungsvollen Gesichtern am Bauschild und den Absperrungen vorbei auf die schwere Holztüre zugehen. Folgt er ihnen, wird er diese Eile verstehen: Denn im Inneren weicht die Erwartung aus den Augen der Menschen, ein Lächeln kommt an ihrer Stelle. „Sie ist wieder da“ scheinen die Gesichter zu sagen, „wir sind wieder zuhause“.

Ohne festlichen Akt …

… und ohne Prominenz wurde die „Madonna in den Trümmern“ am 22. Dezember wiedereröffnet. Und schon dieser Begriff klingt zu offiziell und stimmt eigentlich nicht. „Pater Gabriel hatte den Wunsch, die Krippe vor Weihnachten wieder aufzustellen. Und dann war die Kapelle einfach wieder offen“, erklärt Dr. Stefan Kraus des Diözesanmuseums. „Von der ersten Stunde an war es voll. Es freut mich zu sehen, dass so viele Menschen seitdem dorthin kommen. Trotzdem ist es immer noch eine Baustelle.“ Denn die Sanierung der oktogonalen Kapelle „Madonna in den Trümmern“, die im Jahre 1950 von Gottfried Böhm in der Ruine von St. Kolumba gebaut wurde, ist nur der erste Schritt. In zwei Jahren soll der Neubau des Diözesanmuseums – Kolumba – auf dem Grundstück der im Zweiten Weltkrieg bis auf die Umfassungsmauern zerstörten Kirche St. Kolumba fertig gestellt sein.

Der Wettbewerb

„Wir wünschen uns ein lebendes Museum bezogen auf die Realität und die Würde des Vorhandenen, eine raumschaffende Architektur, zurückhaltende und langlebige Materialien, ein Minimum an Technik, Einfachheit und Funktionalität im Detail, eine sorgfältige und materialgerechte Ausführung, einen selbstverständlichen Ort für die Menschen und die Kunst.“ Die Präambel des Auslobungstextes des Wettbewerbs von 1997 war wie für ihn gemacht: Peter Zumthor. Als Einziger schlug er die Bebauung auf den alten Grundmauern und das Erhalten des Innenhofs – wie es ihn früher einmal gegeben hatte – vor und setzte sich mit seinem Entwurf gegen Gigon/Guyer, Petry und Partner, David Chipperfield und Van Berkel & Bos durch.

Baustellenbesichtigung

Der Gang über die Baustelle begeistert: Denn selbst die Bauarbeiter scheinen zu erkennen, zu spüren, dass dieser Bau etwas Besonderes ist. Sogar Kardinal Meisner war schon auf der Baustelle, um sich persönlich bei den Arbeitern zu bedanken. Die Begeisterung und Liebe für die Sache von allen Beteiligten macht diesen Bau zu etwas Einzigartigen.

Verändert hat sich seit dem Wettbewerb an der Baugestalt prinzipiell kaum etwas: Ausstellungsräume oder Fenstergrößen wurden etwas verändert, die Dachlandschaft anders formuliert. Zumthor arbeitet an den Materialien, den Details: Die Auswahl der richtigen Steingröße für die Fassade, die Farbnuancen, die Oberflächenbeschaffenheit des Putzes – ohne zahlreiche Modelle (wenn nötig auch im Maßstab 1:1) und Materialproben wurde bisher noch keine Entscheidung getroffen. Denn der schlichte, fast schon karge Entwurf Zumthors lebt von seiner Perfektion, dem Verschmelzen der historischen Fragmente, der Harmonie zwischen Alt und Neu. Ohne Fugen setzen die Arbeiter den neuen Stein neben das alte Gemäuer der übrig gebliebenen Kirchenmauern. „Versöhnlich und integrativ“ nennt Zumthor diese architektonische Sprache; „Der Neubau nimmt das Alte in sich auf, birgt es in sich. Er verwischt keine Spuren. Er ergänzt und führt weiter auf der Suche nach der eigenen Gestalt.“ Ist alt wirklich alt und neu wirklich neu? Lässt sich wirklich zwischen Vergangenheit und Gegenwart trennen?

Kolumba …

… bedeutet mehr als nur Museum: Kolumba heißt Kulturgeschichte. Kolumba ist Kunst, Religion und Geschichte. Unter einem gemeinsamen Dach finden sich Ausgrabungen bis zur Römerzeit, Ort des Gebets und Kunstmuseum. „Wir wollten weder eine Kapelle musealisieren, noch ein Museum zur Kirche machen“, so Dr. Stefan Kraus. „Daher gibt es auch zwei Eingänge: einen für das Museum und einen für die Kapelle. Alles zusammen ist Kolumba.“ Zumthor schafft trotz dieser Vorgaben eine Einheit der unterschiedlichen Nutzungen, aber lässt doch den einzelnen Elementen ihren Raum und Respekt. Der Chor der Kapelle wird zwar umschlossen von den Mauern des neuen Gebäudes, aber wirkt keineswegs eingesperrt. Denn das „gestrickte Pullovermauerwerk“, das trotz seiner schroffen Materialität an maurische Architektur erinnert, umbaut das Grabungsfeld von Kolumba, aber lässt Tageslicht und Außenluft herein. An einem Großmodell im Maßstab 1:10 überzeugte sich Zumthor 1999 von der Machbarkeit und der Atmosphäre des zwölf Meter hohen Raumes. Und schon heute lässt sich trotz Baugerüst erahnen, von welch Schönheit dieser Ort später einmal sein wird.

Nächstes großes Ziel ist der Weltjugendtag; Dann nämlich sollen das Foyer des Museums und der Raum des überbauten Grabungsfelds zugänglich sein. Und ob Zumthor die „Steine zum Sprechen“ gebracht hat – so wie es sich der frühere Generalvikar Norbert Feldhoff 1997 wünschte – kann man 2007 bei der Eröffnung von Kolumba selbst spüren …

Natalie Gemmrig

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Peter Zumthor – Werkstatt

Kolumba_Eingang

Kolumba_Detail

Der alte und der neue Stein ergänzen sich

Kolumba_Innenraum

Das Filtermauerwerk wird von Zumthor auch als Pullovermauerwerk bezeichnet, da es licht- und luftdurchlässig ist

Kolumba_Schnittstelle

Die Kapelle ist im Neubau integriert

Kolumba_Baustelle

2007 soll hier – über dem Grabungsraum – das Museum seinen Platz haben