Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Kunst der Zusammenarbeit

’sozial | raum | stadt‘, Kongress zur interdisziplinären Zusammenarbeit von Stadtplanern/Architekten und den Professionellen der sozialen Arbeit in der Fachhochschule Köln.

Sie arbeiten auf derselben Baustelle und sind doch gänzlich verschiedene Charaktere: Stadtplaner und Architekten beschäftigen sich mit der „Hardware“ des Bauens, die Sozialwissenschaftler und Sozialarbeiter beschäftigen sich mit den Problemen des (Zusammen-)Lebens im bebauten Raum. Zwei Berufsgruppen mit verschiedenen theoretischen Ansätzen und verschiedenem Habitus. Wie lässt sich die notwendige Zusammenarbeit dieser beiden Disziplinen verbessern?, war die Leitfrage des Kongresses „sozial | raum | stadt“ der Fachhochschule Köln am 4./5. November 2004.

Im Glossar der Gegenwart*, einem Suhrkamp-Taschenbuch, das gesellschaftliche Trends und Veränderungen über eine Diskussion aktueller Schlüsselbegriffe entfaltet, kommt Interdisziplinarität nicht mehr vor. Interdisziplinarität, in den 70er Jahren ein Leitbegriff, scheint in die Jahre gekommen. Offensichtlich haben Begriffe, die einen universalen, vermittelnden Zugang zur Welt formulieren, eher in gesellschaftlichen Aufbruchszeiten Konjunktur. In der Euphorie des Anfangs ist man vermutlich auch eher geneigt der prinzipiellen Übersetzbarkeit von Erkenntnissen einer Disziplin in eine fremde Disziplin Chancen einzuräumen. Heute, wo wir die Zeitläufte auf allen Ebenen eher als rückläufig und depressiv wahrnehmen, herrscht hier mindestens ein ausgeprägter Skeptizismus. Insofern nahm der Kongress die Frage der schwierigen Zusammenarbeit zu einer prekären Zeit wieder auf.

Es ist ein Gemeinplatz, dass zu einer gelingenden Zusammenarbeit generell ein austariertes Kräfteverhältnis, ein Diskurs in Augenhöhe gehört. Davon wagt bei der Zusammenarbeit in der Stadtplanung trockenen Auges gegenwärtig niemand mehr zu reden. Diese Zusammenarbeit wird heute eindeutig von den Hardwarebetreibern dominiert. Der sozialwissenschaftliche Diskurs dient oft nur noch dort als Argumentationshilfe, wo er in ökonomische Konzepte passt. Stadtplanung ist mehr den je durch die Ökonomie bestimmt, und, wie der Stadtentwicklungsdezernent Bernd Streitberger sogar formulierte, sollte die oberste Maxime der Stadtplanung eine Verbesserung der ökonomischen Lage sein.

Schwierige Zeiten für die Professionellen der sozialen Arbeit. Dass das so ist war denn auch ein Subthema des Kongresses: In einer Zeit, wo für alles Top-Ten-Listen geführt werden, finden wir Stadtplaner/Architekten weit vor den Professionellen der sozialen Arbeit in jener Liste, welche die Attraktivität von Berufsbildern verzeichnet. Soziale Arbeit gilt als unsexy. Da in einer Informationsgesellschaft die Außenwahrnehmung immer wichtiger wird, drückt das geringer werdende Ansehen der sozialen Arbeit auch auf die Selbstwahrnehmung der Sozialplaner. Zu deutsch: Die Professionellen der sozialen Arbeit fühlen sich minderwertig. Abgekoppelt vom Kapital und abhängig von versiegenden öffentlichen Geldern ist das berufliche Selbstbild durch Rückzugsgefechte bestimmt.

In einem dialogischen Einleitungsvortrag der Professoren Schubert und Hamacher, die als Vertreter der beiden Berufsgruppen für den Kongress verantwortlich zeichneten, formulierte der Architekt und Stadtplaner Prof. Hamacher die Vorurteile seiner Profession über die Akteure der Sozialen Arbeit: „(sie) agieren am unteren Ende der gesellschaftlichen Anerkennungs-Leiter, arbeiten eher nachgeordnet, verantworten aber keine richtungsweisenden Entscheidungen des gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. Ihr Metier ist die Behandlung von unvermeidlichen sozialen Lateralschäden der vorwiegend ökonomisch determinierten gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse.“ Aus dem Blick der sozialen Arbeit erscheinen Stadtplaner und Architekten überlebensgroß. So überzeichnete der Soziologe Prof. Schubert den berufsständischen Stolz der Stadtplaner aus dem Blickwinkel seiner Profession: „Immer noch leiten Stadtplaner ihren Anspruch auf eine hochrangige Stellung von dem alten Bild des Baumeisters ab, der als Hierarch den Plan der Stadt bestimmte und Heerscharen von Handwerkern befehligte.“

Die folgenden Vorträge und lebhaften Diskussionen bestätigten den Kern dieser Vorurteile. Allerdings auf dem Hintergrund einer weit gehenden Differenzierung. Ein zentraler Einspruch betraf den Verdacht der Sozialplaner, die Stadtplaner seien nur Erfüllungsgehilfen des Kapitals. Auf der anderen Seite formulierten die Sozialplaner den Anspruch sehr wohl über unverzichtbare Kompetenzen zu verfügen, den bebauten Stadtraum schon in der Planung besser zu gestalten.

Bleibt die Hoffnung auf antidepressive Zeiten, in denen Stadt- und Sozialplaner kooperieren, ohne sich selbst durch innere Aneignungen von ökonomischen Realitäten im Wege zu stehen. Am Ende stand sogar ein Aufruf diese regressiven Haltungen gegen den Trend der Zeit jetzt aufzugeben und die Zusammenarbeit fruchtbarer gelingen zu lassen. „Zusammenarbeit ist möglicherweise keine Disziplin, sie ist eine Kunst“, meinte Clemens Altschiller vom Wohnungsamt Wiesbaden. Woher Kunst kommt, darüber ist man sich nicht ganz einig, wohl aber, dass daran zwei Faktoren beteiligt sind, nämlich das Können, und, hier hervorgehoben, das Wollen – in schwierigen Zeiten fallen die Legitimationsversuche halt etwas kunstvoller aus.

* Herausgegeben von Ulrich Bröckling, Susanne Krasmann und Thomas Lemke, Edition Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2004

Axel Joerss

plakat der fachtagung

pachl

Der Kabarettist Heinrich Pachl auf der Abendveranstaltung des Fachkongresses liefert seine Version der ‚Win-win-win-win-Situation‘ bei der Zusammenarbeit von Sozial- und Stadtplanung.