Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Kunst kann verwandeln „…

…sagt Kuratorin Petra Lindner. Um so besser, wenn es das Kölner Verwaltungshochhaus der Deutschen Lufthansa AG trifft.

Der Künstler Dirk Vollenbroich, Jahrgang 1969, hat sich für seine Lichtinstallation „Lufthansa light“ eben jenen Teil des Kölner Rheinpanoramas ausgesucht, auf den Bürger und Besucher Kölns wohl am ehesten verzichten könnten. Von der Bauabteilung der Lufthansa im Geburtsjahr Vollenbroichs errichtet, wurde das 95 Meter und 19 Stockwerke hohe Gebäude bereits ein knappes Jahrzehnt später um einen ganz ähnlich gestalteten, terrassenförmigen Gebäudeteil in Richtung Rhein erweitert.

Weg damit !?

Seit Anbeginn galt das Bauwerk als hässlich und unpopulär – was die Politikerin Barbara Moritz dazu veranlasste, im Rahmen der anstehenden Regionale eine Überplanung des Geländes und die Schaffung eines „städtebaulich schönen und interessanten Akzentes“ anzuregen.

Dass es für die Schaffung eines solchen Akzents nicht notwendigerweise einer kompletten Überplanung bedarf, lässt sich seit der vergangenen Woche und noch bis zum 27. November täglich zwischen 19 und 2 Uhr beobachten: mit Hilfe von 66 Stroboskop-Lampen werden elf der rheinseitigen Etagen des Büroturmes in einem unkalkulierbaren Rhythmus ausgeblitzt und die Großraumbüros so zum Strahlen gebracht. Die Geschwindigkeit der Lichtbewegungen nutzt der Künstler dazu „das Gebäude zunächst aufzulösen, um es in seinen horizontalen Strukuren spontan wieder erscheinen zu lassen.“ Zudem entdeckte Vollenbroich in seiner Arbeit zwei ganz unterschiedliche Zeitphänomene: einerseits scheint sich der „Umraum“ des Gebäudes wie in Zeitlupe zu bewegen – Autos und Fahrräder vermeinen über die Deutzer Brücke zu schleichen. Andererseits macht die Beleuchtung der Etagen den Eindruck, als würde sie bei Dienstschluss in Zeitraffer-Geschwindigkeit ausgeschaltet.

Es beißt nicht!

Dem Besucher sei empfohlen, sich einmal ganz nah an das Verwaltungshochhaus heran zu trauen. Denn dann eröffnet ihm das Kunstwerk, wenn auch nur für Sekundenbruchteile, Blicke auf Möbel, Pflanzen und ein schon ausgestorben geglaubtes 70er-Jahre Großraumbüro-Labyrinth; zugleich untergräbt das Werk ganz nebenbei die Absicht der Fluglinie, durch den Einsatz von Spiegelglas Einblicke zu verwehren. Personen wird man hinter diesen Scheiben allerdings nicht entdecken können: dank der Goldbedampfung verbleiben 70% des Stroboskop-Lichtes innerhalb der Etage, was eine zumindest zeitweilige Erblindung der Angestellten zur Folge haben könnte.

Die räumliche Nähe zu einer Gebäudeecke eröffnet dem Betrachter Raum für weiter gehende Interpretationen: von hier unten betrachtet, nehmen die Lichtblitze die Form in den Himmel weisender Pfeile an. Angesichts des schräg gegenüber errichteten gotischen Doms eine nicht ganz uninteressante Beobachtung. Schließlich kommentierte die Bauwelt bereits im Jahre 1970 seherisch: „Dass eine Luftfahrtgesellschaft dem „Drang zum Höheren“ gern Ausdruck zu geben versucht, liegt auf der Hand.“

Für den gemeinen Passanten allerdings, verwandelt die bisher größte Arbeit Vollenbroichs ganz einfach etwas Gewohntes in etwas Ungewohntes – und bringt ihm so die Qualitäten des Bestehenden nahe.

Ulrich Grützner

lufthansa 2 Dirk Vollenbroich

Die Alternative: das Deutzer Rheinpanorama ohne Lufthansa-Hochhaus.

Grafik: Dirk Vollenbroich

lufthansa 3 Dirk Vollenbroich

Ein weiteres Projekt des Künstlers: ’super Nova‘, Münster 2001. Jeder Raum des Iduna Nova-Hochhauses wurde im 1 – 2 sek. Rhythmus durch eine der 240 installierten Stroboskoplampen ausgeblitzt.

Foto: Dirk Vollenbroich

lufthansa 4 Dirk Vollenbroich

Projekt ‚Mächte der Finsternis‘, Frankfurt 2002. Anhand eines speziellen, auf allen Rechnern installierten Bildschirmschoners, wechseln alle im Gebäude befindlichen Computermonitore während der Dunkelheit im 2 sek. Takt ihre Farbdarstellungen.

Foto: Dirk Vollenbroich

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