Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

ORGATEC: Wie menschlich ist die Bürowelt von heute?

Von der Produkt- zur Themenmesse

Statt spröder Produktpräsentation hatte in diesem Jahr die „Orgatec“ im Zeichen von Podiumsdiskussionen und Informationsveranstaltungen gestanden. Unter dem Motto „Living at Work“ war es um die Frage gegangen, wie „menschlich“ sich die Bürowelt von heute gestaltet – und wie die kränkelnde Designbranche wieder auf Vordermann gebracht werden kann.

54.000 Besucher aus 90 Ländern

Rund 54.000 Besucher aus 90 Ländern und 847 Aussteller waren diesmal zur internationalen Fachmesse für Planung, Einrichtung und Management angereist. Damit hatte die Kölnmesse eine ähnliche Quote wie vor zwei Jahren erreicht. Über die Präsentation von Bürostühlen und Schreibtischunterlagen hinaus sollte es in diesem Jahr vor allem neue Arbeits- und Bürokonzepte zu sehen geben.

Vereinbarungen für „menschliche Arbeitswelten“

Die aktuellen Trends waren leicht auszumachen: Sicher und benutzerfreundlich, kurzum „menschlicher“ sollte das Büro der Zukunft konzipiert sein. Tatsächlich hatte die Orgatec lobenswerte Vereinbarungen in Sachen „menschliche Arbeitswelt“ hervorgebracht: Erstmals war in einem dreitägigen Kongress in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Facility Management Institut zum Thema Gesundheit, Arbeitssicherheit und Ergonomie eine Konvention der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BASI) erstellt worden. Zudem hatte die Initiative Neue Qualität der Büroarbeit (INQA), ein Zusammenschluss von Büromöbelherstellern, Einrichtern und Wissenschaftlern, ein Elf-Punkte-Programm mit Leitbildern für qualitätvolle Arbeit am Arbeitsplatz konzipiert.

Flexibilität ist das Schlagwort der Branche

„Wohlfühlambiente“ und Arbeitssicherheit fördern sicherlich die Kreativität. Doch neben aller „Menschlichkeit“ stehen Leistungsdruck und Stellenabbau. Was tun, wenn der Konzern kürzen muss? Flexibilität und Mobilität sind längst zu den Schlagwörtern der Branche geworden. Die Welt der Büros ist heute ein Forum neuer Arbeitsprozesse, auf die auch die Orgatec reagieren muss. „Vitra Fusion Konzept“ hat beispielsweise der Möbelhersteller aus Weil am Rhein sein neues Büroprogramm genannt: „Eine Mischung aus persönlichen, eigenen und wechselnden Arbeitsbereichen, die mit anderen Kollegen geteilt werden“, wie die Vitra-Pressesprecherin Gabriella Gianoli erklärt.

Arbeiten zu Hause, im Zug oder Flugzeug

Ob elektromechanische Konferenztische, deren Höhe sich auf den jeweiligen Nutzer einstellt oder Teppichböden, die die Temperatur messen und wahlweise bei Einbruch Alarm schlagen – es gibt nichts, was die Büromöbelbranche nicht herstellen könnte. Doch in erster Linie ist die Orgatec als führende Fachmesse für Architekten und Einrichtungsplanern zu einem Spiegel veränderter Arbeitsprozesse geworden. Das ideale Büro hat keinen eindeutigen Standort mehr, es ist wahlweise in die eigene Wohnung, in Zug und Flugzeug oder eben zum Arbeitgeber verlegbar.

Umdenken notwendig

Freizeit und Fitness neben Konferenzraum und Arbeitszimmer sind sicherlich lobenswert. Doch ist es nicht eine Ironie, wenn die einen über Wohlfühlkonzepte ihrer Mitarbeiter philosophieren und die anderen an Stellenabbau denken? In der Realität ist die Umsetzung von idealen Bürokonzepten schließlich oft nicht finanzierbar. Zudem sind Einzelbüros bisher nach wie vor beliebter als andere Bürokonzepte. „Für ein flexibles Büro braucht man in erster Linie Vertrauen zu den eigenen Mitarbeitern“, sagt Gianoli. Flexible Kaffeepausen, ein kurzer Mittagsschlaf am Arbeitsplatz, selbst Gleitzeiten sind im Arbeitsalltag längst nicht die Regel. Werden zudem Bürogebäude meist nicht erst eingerichtet, nachdem sie gebaut und nachträglich angemietet worden sind? Damit die „menschlichen Büros“ der Zukunft sich etablieren können, ist also ein Umdenken bei den Arbeitsgebern notwendig – und der ersehnte finanzielle Aufschwung in Deutschland.

Annika Wind

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Wie sieht das Büro der Zukunft aus? – ‚Wohlfühlambiente‘ und Arbeitssicherheit fördern sicherlich die Kreativität.