Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Fragmente der Kunststadt

Die Bonner Ausstellung ‚un-built cities‘ stellt aktuelle ‚Entwürfe‘ urbaner Möglichkeiten zwischen Fiktion und Spiel, zwischen Kritik und Bestandsaufnahme vor.

Namen wie Le Corbusier, Hilbesheimer, Ernst May, oder Malewitsch stehen im ersten Drittel des letzten Jahrhundert für Stadtkonzeptionen der Zukunft. Zum Zeitpunkt der frühen Moderne war die Kritik am Zustand der Stadt meist verbunden mit Vorstellungen über Mobilität, besseren Lebens- und Wohnbedingungen und oft gingen sie mit Veränderungsvorstellungen der Gesellschaft einher. Umgesetzte Konzepte gibt es wenige, einiges wurde bruchstückhaft, anderes teilrealisiert.

Nach Jahren des von Pragmatismus und Investorentätigkeit geprägten Städtebaus erlebt die im Umbruch befindliche Definition von Stadt eine erstaunliche Renaissance. Denn in den meisten historisch gewachsenen europäischen Städten, nimmt die Diskussion über die „Unwirtlichkeit“ der zeitgenössischen gebauten Umwelt wieder mehr Raum ein. Die Auflösung klarer Stadtstrukturen, zunehmende Mobilität und Geschwindigkeit führen weltweit zu sarkastischer Kritik der bildenden Kunst. Zunehmend nehmen sich Künstler die Freiheit, Stadtfiktionen von spielerisch- metaphorischer Dimension zu entwerfen.

In Bonn wird derzeit die utopische Idee der ungebauten, der bruchstückhaften Stadt gedacht. Das ist umso wichtiger, als sich in Zeiten überall wuchernder Investorenarchitektur und Demografischer Verschiebungen vieler Orten urbane Ratlosigkeit breit macht. Der Bonner Kunstverein zeigt in seiner aktuellen Gruppenausstellung ‚un-built cities‘ Visionen von 21 internationalen, vorwiegend jungen Künstler, die sich in der Auseinandersetzung ihrer urbanen Umwelt utopisch, fiktiven Stadtvisionen nähern. Mit Entwurfszeichnungen, Foto- und Video-Arbeiten, Modell-Fiktionen und –Installationen will sich die Ausstellung der Thematik der ungebauten Stadt nähern und zur Diskussion stellen. Gefragt sind kreative Entwicklungen urbaner Strukturen.

Ersatzstadt

‚Demokratie im Ruhestand‘, heißt eine der wenigen Arbeiten mit geographischer Verortung. Das Düsseldorfer Künstlerkollektiv Stadtraum.org schlägt vor, das Bonner Regierungsviertel als eine geschlossene Zone aus Wohnen, Shopping-Mall und Wellnessfarmen für gutbetuchte zu gestalten, das in naher Zukunft in ein Geriatriezentrum verwandelt werden kann und so, mit leisen kritischen Untertönen der demografischen Entwicklung Rechnung trägt.

Die poetischen Wandzeichnungen und skulpturalen Schaumstoffmodelle, von Lois und Franziska Weinbergers beruhen auf intensiven naturwissenschaftlichen Recherchen. Sie richten die Aufmerksamkeit des Betrachters auf virulente Formen des Zusammenlebens in der Natur. Deren Dynamik weltweit wuchernder Stadtmodelle fordern ebenso heraus wie die der Isländerin Inga Svala Thorsdottit. Ihre Inszenierung von Lebensräumen entwirft ein fiktives multimediales Arkadien und bringt ein dichtes Siedlungsgefüge zwischen Stadt und Land im Borgarfjördur-Gebirge unter.

Die Arbeit des Kölner Duos Graw / Böckler stellt die Frage was wäre wenn…am Friesenplatz kein Bürohochhaus der Firma Gerling entstanden wäre, sondern ein öffentliches Freibad. Per Computersimulation lassen sie auch schon mal Wasser auf Fotos und Videos laufen. (Die von 1999 stammen Arbeit wurde bereits zur Eröffnung im Innenhof des Fosterbaues gezeigt.)

Mit ironisch fiktiven, bisweilen auch kritischen Arbeiten versuchen die Künstler sich als Stadtsoziologen und Architekten. Ästhetisch verwurzelt im coolen Design der sechziger und siebziger Jahre feiert die Unentschlossenheit den realen Ort der Stadt, ohne einem wirklichen gesellschaftspolitischen Utopismus nachzuspüren. Jedoch mit erfrischender Distanz zu tatsächlichen Planungen und akademischer Stadtplanung.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen und Texten in deutscher und englischer Sprache.

Bonner Kunstverein

August-Macke-Platz

53119 Bonn

bis 8. Februar 2004

Öffnungszeiten: Di-So 11-17, Do 11-19 Uhr

Barbara Schlei
Redaktion

grawboeckler

Der Standort Friesenplatz steht für ein öffentliches Freibad nicht mehr zur Disposition, ein Alternativgrundstück gibt es am Neumarkt!

Böckler/Graw, Mein Vorschlag: Friesenbad 1999-2001

weinberger

Lois und Franziska Weinberger

Utopische Stadt- und Dorfmodelle 2002, Wandzeichnungen und Schaumstoff

lanziger

Dem Spielraum Stadt geht Pia Lanzinger in ihrer Installation WorldWideWob, von 2003 nach.