Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die soziale Erdung der Ästheten

Interdisziplinäres Studienangebot für Studenten der Architektur und der angewandten Sozialwissenschaften an der FH Köln

Architekten werden den sozialen Anforderungen in der Planung nicht gerecht und die Spezialisten der sozialen Frage haben keinen Sinn für den ästhetischen Mehrwert der Architektur, so lauten die gegenseitigen Vorwürfe im Konflikt zwischen Architekten und Sozialwissenschaftlern.

Die Fachhochschule Köln will diesem Konflikt interdisziplinär begegnen. Mit Beginn des Wintersemesters 2002/2003 gibt es einen neuen Studienschwerpunkt „Sozial-Raum-Management“. Die Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften bietet in Kooperation mit der Fakultät für Architektur eine auf das Berufsbild des Stadtteil- bzw. Quartiersmanagements ausgerichtete, interdisziplinäre Zusatzqualifikation für Studierende beider Professionen an.

Unter dem Druck eines politischen und ökonomischen Pragmatismus, vor allem seit den 90-er Jahren, wurde de facto der kommunale Steuerungsanspruch der Städte aufgegeben, damit der Handlungsraum für Stadtplanung überhaupt. Verständlich, dass auch angehende Stadtplaner und Architekten im sozialen und politischen Engagement kaum mehr Chancen für ihren Beruf sehen. Das politisch-soziale Engagement lässt nach, sie orientieren zunehmende am formal-gestalterischen und technisch-ökonomischen Mainstream. Die Folge: Architekten verschlanken ihren Problemhorizont und kapseln sich ab. Sie veranstalten Architekturausstellungen, die im Wesentlichen von Architekten besucht werden. Architekten verleihen sich gegenseitig Architekturpreise. Kein Wunder also, wenn auch ambitionierte Architektur von den Nutzern nicht mehr verstanden und respektiert wird. Mitunter werden ihre Planungen und Entwürfe gar als Zumutung und Versklavung erlebt.

„Wir brauchen Profis, die bereit sind, Strukturen zu zerstören.“

In einer Auftaktveranstaltung zum Studienangebot am vergangenen Mittwoch diskutierten Fachleute aus der Wohnungswirtschaft, der Stadtplanung sowie der Sozial- und Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen, gemeinsam mit Experten der Fachhochschule Köln ihre Erfahrungen zur fachübergreifenden Zusammenarbeit.

Welche Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen brauchen Fachleute in der sozialen Stadterneuerung, um wirkungsvoll die Entwicklung problematischer Stadtgebiete und Wohnungsbestände zu steuern? „Wir brauchen Profis, die bereit sind, Strukturen zu zerstören“, formuliert Dr. Karl-Heinz Cox, Geschäftsführer der Treuhandstelle für Bergmannwohnstätten in Essen, die zentrale Kompetenz von Fachleuten in der sozialen Stadterneuerung. Also eine Kernkompetenz plus die Fähigkeit im Netzwerk zu arbeiten.

Nur so lassen sich die festen Strukturen in Büro und Verwaltung überwinden, die oft die Planung behindern. Nur wenn informelle Wege gesucht werden, lassen sich Standesdünkel und festgeschriebene Privilegien umgehen.

Neben der Abstimmung der Planung unterschiedlicher Fachdisziplinen ist vor allem die Differenz zwischen Spezialisten und Laien zu überbrücken. Michael Mertens, Leiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie in Bonn, sieht in der Aktivierung von Bürgern, einen wichtigen Ansatz. „Wir müssen eine Sprache und Instrumente entwickeln, um den Nutzern Planung begreifbar zu machen. Da können Sozialwissenschaftler Architekten wertvolle Hilfestellung geben.“ Aber auch umgekehrt sollte den in der Stadtteilerneuerung tätigen Sozialplanern Verständnis für räumliche Strukturen und Raumwirkungen vermittelt werden.

Die Sozialorientierung von Architekten und Stadtplanern hat eine lange Tradition. Schon die Entwicklung der Berufsrollen im 19. und 20. Jahrhundert ist untrennbar mit den jeweiligen sozialen Bewegungen in der Gesellschaft verbunden und nahezu durchgängig geleitet von expliziten sozialpolitischen Programmen und Absichten. Gerade durch die Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftlichen Problemen (wie der Zunahme älterer Menschen, der Verschärfung der sozialen Differenz, den Herausforderungen einer multikulturellen Gesellschaft …) könnten die bestehenden Berufsfelder wieder sinnvoll besetzt werden. Darauf sind in der aktuellen Arbeitsmarktsituation Architekten, Stadtplaner und auch Sozialpädagogen dringend angewiesen. Hier ist auch in dem gegenwärtig eingeschränkten finanziellen Handlungsrahmen eine deutliche Nachfrage vorhanden. Denn mit der Verschärfung sozialräumlicher Probleme wachsen auch die sozialplanerischen Anforderungen. Unterstützung kommt auch von unerwarteter Seite: die Wohnungswirtschaft hat schon Handlungsbedarf signalisiert, um einer ökonomischen Entwertung des Wohnungsbestandes vorzugreifen.

In der Zusatzqualifizierung „Sozial-Raum-Management“ der FH Köln, soll ein solches Verständnis für die sozialen Erfordernisse von Bau und Planung nicht bloß beschworen, sondern gelehrt und gelernt werden. So soll der Managementcharakter der Planung deutlich werden. Die Studenten werden zum Beispiel lernen, wie man etwa eine Bürgerversammlung durchführt und wie sich jenseits vom Gesetzgeber festgelegter Beteiligungsform Wege einer transparenten, sozialverträglichen Planung finden lassen.

Birgit Kohlhaas, Axel Joerss

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Projekt im Studienschwerpunkt Sozial-Raum-Management: Leverkusener Großsiedlung aus den 60-er Jahren.

Fotograf: Walter Moog

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