Ein weiteres Kapitel in der Geschichte des Opernquartiers ist aufgeschlagen: Schienen die Diskussionen um den Abriss des denkmalgeschützten Opernensembles aus den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch einen Kompromiss endgültig vom Tisch, entzündet sich nun eine neue Diskussion an der Überschreitung des veranschlagten Kostenrahmens von Opernsanierung und Schauspielhausneubau.
Prolog
Der im Juni 2008 entschiedene Wettbewerb „Bühnen Köln am Offenbachplatz“ stellte einen vorläufigen Abschluss der nicht unemotional geführten Debatte um die Zukunft des Kölner Opernensembles dar. Der Kompromiss, der der Auslobung zu Grunde lag, sah sowohl einen Erhalt als auch einen Teilabriss der Bauten Wilhelm Riphahns am Offenbachplatz vor: Für das zwischen 1952 und 1957 errichtete Opernhaus wurde eine Sanierung gefordert, die wenig später hinzugefügten Gebäude des Theaterrestaurants und des Schauspielhauses sollten einem Neubau weichen. Aus diesem Wettbewerb gingen die Architekten JSWD – Jaspert Steffens Watrin Drehsen (Köln) in Kooperation mit dem Atelier d’architecture Chaix & Morel + Associés (Paris) als Sieger hervor. Die geplanten Baukosten von Sanierung und Neubau, denen die Forderungen der Auslobung zu Grunde lagen, beliefen sich auf rund 230 Millionen Euro.
Hauptstück
Im Zuge der Vorplanung ergab sich die Notwendigkeit, insbesondere die im Wettbewerb geforderten Flächen der technischen Gebäudeausrüstung zu erweitern, denn der Einbau von Technikzentralen sowie die flächenintensive Verteilung von Leitungen und Ähnlichem schienen in den Flächenprojektionen der Wettbewerbsauslobung nur ansatzweise berücksichtigt worden zu sein. Mit dieser Anpassung an das technisch Notwendige stieg der umbaute Raum des Projekts erheblich. Eine Erhöhung des Kubikmeterpreises von ursprünglich 650 auf 720 Euro leistete der Kostensteigerung weiteren Vorschub, so dass nun mit einer Bausumme von 364 Millionen Euro gerechnet wird.
Oberbürgermeister Fritz Schramma zeigte sich angesichts der Überschreitung des veranschlagten Kostenrahmens derart überrascht respektive schockiert, dass er von den Architekten eine Kostenanalyse zur Vorlage bei der Stadtratsfraktion verlangte. Eine solche Summe könne (und wolle) die Stadt nicht aufbringen. Die Architekten sind angehalten, die Gründe und Positionen der Mehrkosten bis Ende August darzulegen. Zugleich erarbeiten sie Varianten des Wettbewerbsentwurfs, die deutliche Einsparungen gegenüber der derzeitigen Kostenprognose zulassen; diese wären zum Beispiel durch eine weniger aufwendige Ausführung des Produktionszentrums, das sich nach aktuellen Planungen tief unterhalb des Platzniveaus und damit im Grundwasserbereich befindet, möglich.
Aber auch das Wort „Alternativen“ steht – als fragwürdiger Kontrapunkt zum Wort „Varianten“ – erneut im Raum: So wäre, zumindest nach Ansicht der Stadtoberen, beispielsweise eine Revidierung des Wettbewerbsentscheids zugunsten einer Sanierung aller Gebäude des Opernensembles, aber auch ein Neubau an anderer Stelle möglich. Letzteres schließt implizit den sicheren Abriss des gesamten Opernensembles ein und erscheint wie Wasser auf den Mühlen der Geschichtsignorierenden, denn in der lokalen Tagespresse war jüngst eine Kritik an der längst beschlossenen Sanierung eines „architektonisch sicher nicht erstrangigen Baus“ und die Forderung eines „glanzvollen Neubaus, womöglich an einem attraktiveren Standort“ zu lesen.
Epilog
Diese Volte weist in eine Zukunft, die sich nicht auf der Geschichte und ihren Zeugnisse gründet – hier: auf einem kulturellen Zeugnis der unmittelbaren Nachkriegszeit –, sondern die ihr Heil in einer effekthascherischen Eventarchitektur sucht und gerade deshalb im provinziellen Abseits wird versanden müssen. Wenn auch der im Wettbewerb geforderte Teilabriss das Opernensemble nicht in Gänze der städtischen Zukunft überliefern wird, so konfrontiert der Neubau vis-à-vis dem Opernhaus an einem authentischen Ort die Geschichte mit dem Gegenwärtigen und eröffnet damit eine dialogische Zukunft, die sich eben nicht im kurzfristigen und kurzsichtigen Effekt erschöpft. Die „Schauseite“ Kölns ist in diesem Fall nicht der Rhein, sondern der Offenbachplatz mit all seinen Verwerfungen. Hier muss eine Lösung gefunden werden.
Rainer Schützeichel
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