Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Wir werden Köln nicht neu erfinden“

Albert Speer über den Stand der Planungen für den neuen Kölner Masterplan.

Im vergangenen Herbst wurde das Projekt Masterplan für Köln vorgestellt. Fast ein halbes Jahr ist seit dem vergangen – Zeit für Fragen nach dem Zwischenstand. Für koelnarchitektur.de beantwortet Professor Albert Speer exklusiv einige Fragen.

David Kasparek: Der Masterplan soll die gesamte Innenstadt berücksichtigen. Bereits im Herbst 2008 will Ihr Büro Ergebnisse präsentieren. Wie wollen Sie zunächst vorgehen?

Albert Speer: Der Untersuchungsraum des Masterplans umfasst die gesamte Kölner Innenstadt, der in unterschiedlichen planerischen und strategischen Intensitäten behandelt werden wird. Das Ziel ist es, diejenigen Orte, Gegenstände und Gelegenheiten zu definieren, von deren Behandlung künftig die größten Chancen und Impulse für eine stadträumliche Entwicklung ausgehen sollen. Wir haben zunächst diesen Untersuchungsraum und sein aktuelles Repertoire an bestehenden Planungskonzepten, Studien, Wettbewerbsergebnissen und laufenden Projekten in Augenschein genommen und in thematischen Übersichten verarbeitet. Der thematische Einstieg in das Projekt fand auf der gesamtstädtischen Maßstabsebene statt, während die weitere Bearbeitung in den Maßstab des Städtebaus münden wird.

Die Erkundungsphase ergab sieben große Interventionsräume, die das einzigartige räumliche Grundgerüst der Kölner Innenstadt bestimmen. In diesen Identität stiftenden Räumen werden wir Vorschläge für künftige Entwicklungen auf den Gebieten Städtebau, Freiraumplanung und Verkehr erarbeiten.

Von besonderer Bedeutung ist, dass der Einsatz von Patentlösungen oder die Übertragung bewährter Stadtmodelle keinen Kölner Masterplan ergeben kann. Unser Anspruch ist es, aus den besonderen stadträumlichen Begabungen Kölns ein zukunftstaugliches Konzept und Instrument zu entwickeln.

Ihr bisheriger Eindruck: Was ist das Besondere an der Kölner Innenstadt – im Positiven wie im Negativen? Wo sehen Sie Probleme?

Albert Speer: Die Kölner Innenstadt verfügt über vielfältige Begabungen und Potenziale, darüber haben wir bereits im ersten Werkstattgespräch berichtet. Das Besondere an der Kernzone ist beispielsweise die enorme Konzentration von Attraktionen und Nutzungen im engeren Umfeld des Doms und eine sich stetig ausdünnende Vielfalt im weiteren Umfeld. Während sich in vielen Städten besondere Quartiere und Attraktionen nebeneinander aufreihen, besteht die Kölner Innenstadt aus einer kompakten Überlagerung und Durchmischung von Nutzungen wie Einkaufen, Freizeit, Wohnen, Kunst, Kultur und Arbeiten. Die räumliche Orientierung und Lesbarkeit dieser Bereiche muss durch eine besondere Gestaltung der Freiräume deutlich verbessert werden.

Aus heutiger Sicht besteht eine weitere bedeutsame Aufgabe in der Sicherstellung der Mobilität und Erreichbarkeit der künftigen Innenstadt für alle seine Nutzer. Nur so kann die Innenstadt auch zukünftig in ihrer einzigartigen Vielfalt erhalten und erlebbar bleiben.

Das zentrale Problem der Innenstadt Kölns ist unserer Meinung nach das Fehlen einer mittel- bis langfristigen Strategie für eine zeitlich abgestimmte und ökonomische Umsetzung der Vielzahl von Projekten und Ideen. Hierzu werden wir Vorschläge erarbeiten.

Schrittweise Lösungen für Probleme erarbeiten

Im Kölner BDA und der allgemeinen Kölner Architektenszene gibt es Stimmen, die gehört werden wollen. Viele hier vor Ort sind sich sicher, Ihnen (dem Büro AS&P ) mit gutem Rat und dann auch Tat zur Seite stehen zu können. Was halten Sie davon? In wie weit sind Ihre „20 Fragen“ ein Entgegenkommen an die hiesigen Planer? Hier in Köln ist man, beispielsweise im „Haus der Architektur Köln“, bemüht Antworten auf diese 20 Fragen zu finden. Wie gedenken Sie diese Antwortversuche in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen?

Albert Speer: Ziel ist es, eine gemeinsam von Rat, Wirtschaft und Bürgerschaft getragene und als verbindlich anerkannte städtebauliche Leitidee zu formulieren. Ein umfassender Konsens zu den Kernfragen der Innenstadtentwicklung muss gefunden werden.

Der Umstand, dass die Arbeiten am Masterplan sozusagen in der Öffentlichkeit stattfinden inspiriert sicherlich viele Kollegen mitzudenken und auch mitzuwirken. Dies ist ja auch ein Ziel dieser unkonventionellen Vorgehensweise. Es ist mit Sicherheit zielführender systematisch an der Lösung von Problemen zu arbeiten als auf Veranstaltungen nur darüber zu reden. Insofern werden wir die Vorschläge aus dem „Haus der Architektur Köln“ konstruktiv durchsehen und gegebenenfalls auch in das Repertoire des Masterplans aufnehmen.

Wir gehen mit dem Blick von außen an die Aufgabe heran – danach ist das Feld frei für die Arbeit der Architekten. Wir werden den Kollegen vor Ort ganz bestimmt nicht die sich aus dem Masterplan ergebenden Folgeprojekte wegnehmen. Unsere Aufgabe ist es, Prozesse zur schrittweisen Lösung vieler Fragen und Probleme in Gang zu bringen.

Von besonderer Bedeutung wird die Frage der finanziellen und zeitlichen Realisierbarkeit der Bausteine des Masterplans sein. Das hieraus resultierende Thema der Priorität von Vorschlägen und Maßnamen wird unsere Arbeit entscheidend beeinflussen.

In eine ähnliche Richtung geht der Vorschlag des Kölner Architekten Ulrich Coersmeier: Er hat angeregt, preisgekrönte Entwürfe anderer Architekten für die Kölner Innenstadt in Ihrem Masterplan aufzunehmen – was halten Sie davon?

Albert Speer: Wir werden Köln nicht neu erfinden. Es ist sogar einer der zentralen Ansätze, möglichst viel von dem vorhandenen Wissen in die Planungen mit einzubeziehen, sofern sich das bestehende Material strategisch und planerisch logisch in den Masterplan einfügen lässt.

Die Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung und Fortschreibbarkeit des Masterplans ist eine klare und kommunizierbare Logik der einzelnen Gegenstände und Schritte. Wir verstehen den Masterplan nicht als ein möglichst reichhaltiges Menü von Projekten.

„Wir werden Köln nicht neu erfinden“

Auch der Stadtbaudezernent Bernd Streitberger wünscht sich, dass sie zumindest einen Blick auf vorangegangene Entwürfe werfen – werden Sie das tun?

Albert Speer: Der Wettbewerb für Oper und Schauspiel und weitere Wettbewerbe sind im laufenden Verfahren. Wir werden diese wertvollen Repertoires, die für die Stadt Köln auch einen hohen finanziellen Aufwand bedeuten, prüfen und versuchen gegebenenfalls als Impulsgeber für Projekte des Städtebaus einzusetzen.

Ihre Auftraggeber setzen sich zu großen Teilen aus Wirtschaftsvertretern zusammen. Werden Sie bestimmte Wünsche solcher Interessengruppen in ihren Planungen berücksichtigen?

Albert Speer: Unsere Auftrageber sind bislang eher zurückhaltend und lassen uns freien Raum. Wenn der Masterplan nur das Abarbeiten eines umfassenden Wunschzettels beträfe, würde das Ergebnis in ein unverständliches Chaos münden – der Masterplan gewissermaßen als „ein Haufen guter Ideen“. Wir werden natürlich prüfen, ob und wie weit die an uns herangetragenen Wünsche und Anregungen sich logisch in die Leitlinien des Masterplans einfügen.

Noch immer sind Relikte vergangener Stadtbauphasen sichtbar. Positives, wie negatives. Vor allem aus der NS-Zeit und nicht zuletzt aus den sechziger Jahren sind fatale Spuren sichtbar. Hätte man die Entwicklungen in der Innenstadt im Vorfeld besser kontrollieren müssen? Hat die Stadt etwas versäumt?

Albert Speer: Wir müssen von der realen Situation und den realen Problemen ausgehen und den Blick umsetzungsorientiert in die nahe und auch ferne Zukunft richten. Die Analyse möglicher Fehler der Vergangenheit wird uns im Falle Köln nicht entscheidend weiter voran bringen. Köln ist auf dem Weg vom ehemaligen Industriestandort zu einer lebendigen europäischen Stadt mit vielfältigen Möglichkeiten für das Wohnen und das Arbeiten. Allein aus dem Blick in den Rückspiegel wird sich das nicht machen lassen.

Welche Art von Instrumentarium wollen Sie der Stadt Köln mit diesem Masterplan an die Hand geben?

Albert Speer: Es soll ein anpassungsfähiges Instrument geschaffen werden, das als Leitlinie eines andauernden Masterplanprozesses fortgeschrieben und weiterentwickelt werden kann. Statt des klassischen, auf einen Zeitpunkt fixierten und inhaltlich starren Masterplans wird so zeitgemäß der Prozess des „Masterplanning“ initiiert. Der fortschreibungsfähige Plan kann und soll als zentrales Steuerungs- und Koordinierungsinstrument für die Innenstadtentwicklung genutzt werden. Dabei werden auch bereits vorhandene sektorale oder thematische Planungen sowie aktuelle Prozesse und Verfahren zusammengeführt. Die gesamtstädtischen Entwicklungen in Köln, ebenso wie Entwicklungen der Gesellschaft – so zum Beispiel die Demographie – und der Immobilienwirtschaft werden berücksichtigt. Für zentrale Fragestellungen im Stadtraum werden Testplanungen durchgeführt und im Anschluss daran bewertet. Ein Katalog vorrangiger Maßnahmen mit Hinweisen zur Zeitachse wird entwickelt.

Hoffnung auf langen Atem

In Köln wird inzwischen fast traditionell auf die Stadtplanung geschimpft. Haben Sie Befürchtungen, mit diesem ambitionierten Projekt in irgendeiner Art zu scheitern und in der Rückschau als Sündenbock dazustehen?

Albert Speer: Bisher war die Resonanz auf das Projekt und unsere ersten Ansätze überwiegend positiv. Es würde mich allerdings sehr wundern wenn es bei der Diskussion um die Zukunft der Kölner Innenstadt überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten geben sollte. Je qualifizierter die Diskussionen verlaufen, desto belastbarer wird am Ende das Produkt Masterplan sein.

In komplexen Beteiligungsverfahren hat sich die Implementierung eines eigenständigen Moderators neben dem Planerteam bewährt. Das Büro Freischlad+Holz wurde, auf Grund seiner Erfahrung in vergleichbaren Projekten, von der Stadt Köln mit der Moderation beauftragt.

Inhaltliche Aspekte können von der formalen Führung des Prozesses getrennt werden, was sich insbesondere in Phasen kontroverser Diskussionen als vorteilhaft und Ziel führend erwiesen hat. Dies bewährt sich bisher auch im Prozess des städtebaulichen Masterplans für die Kölner Innenstadt.

Herr Speer, was erhoffen Sie sich von diesem Projekt?

Albert Speer: Kein Kontinent dieser Erde besitzt mehr Reichtum und Vielfalt an schönen, lebendigen und bedeutenden Städten wie Europa. Köln, mit seinem Dom als meistbesuchtem Bauwerk Deutschlands, gehört eindeutig zu diesen Städten. Wenn es uns gelingen sollte, Vorschläge für die Rückgewinnung stadträumlicher Qualitäten in den zentralen Bereichen der Kölner Innenstadt zu entwickeln und die organisatorischen Vorkehrungen zu deren schrittweisen Umsetzung zu finden, dann wäre das für uns ein Erfolg. Sobald das Erscheinungsbild und das Leben in diesen zentralen Räumen an Qualität gewinnt, wird sich dies mittel- bis langfristig auch auf jene Bereiche übertragen, die wir in diesem Projekt nur grob in Augenschein nehmen können.

Da wir eine schlagartige Umsetzung des Masterplans ausschließen, hoffen wir auf einen langen Atem der Akteure und vor allen Dingen auf Kontinuität und Sorgfalt bei der schrittweisen Umsetzung unserer Vorschläge in einer hyperaktiven Stadt wie Köln.

Wir danken Ihnen für diese Informationen, Herr Speer.

Mit Albert Speer sprach David Kasparek

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Sein Büro AS&P entwickelt den Kölner Masterplan: Professor Albert Speer

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1 Kommentar

Und sollte im Rahmen dieser zukünftigen Planung und Umsetzung wieder die Unesco ins Spiel kommen, ist eh alles vorbei. Warum nimmt man nicht von Anfang an die Unesco mit ins Boot und macht aus Köln ein großes Museum.