Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Symbolwerdung

Zum aktuellen Planungsstand der DITIB-Zentralmoschee

Die Diskussion um den Bau der Kölner Zentralmoschee ist oftmals überlagert von Stimmen rechtskonservativer Prägung. Es geht ihnen um „Werte“, um „den“ Islam, wohl auch um diffuse und subjektive Ängste. Die architektonischen Aspekte des Gotteshauses treten dabei in den Hintergrund. Eine Moschee weist über sich hinaus auf ihren Inhalt, auf das Nicht-fassbare, das Transzendentale – auf den Ort und das Verständnis Gottes. Das Haus selbst steht für die Präsenz des Islam, dessen Interpretation die eigentliche Folie für eine Diskussion bietet, die sich um die Totalität „Moschee“ und nicht um das eigentliche Bauwerk im Westen Kölns dreht. An dieser Stelle soll der Fokus noch einmal auf den Entwurf der Architekten Paul und Gottfried Böhm gelenkt werden.

Bleibt alles anders?

Im aktuellen Planungsstand zeigen sich an einigen Stellen augenscheinliche Änderungen des Wettbewerbsbeitrags – was durchaus als übliches Procedere bezeichnet werden kann: Die Konstellation der Baukörper wurde überarbeitet, wodurch sich eine Freistellung der Kuppel sowie eine Verschiebung und Anpassung der übrigen Gebäudekörper ergaben.

Die Kuppel ist somit nicht mehr durch den Hauptbaukörper an der Inneren Kanalstraße gesteckt, sondern steht nunmehr frei und ist von weiteren Sichtbetonschalen umgeben. Diese Änderung erfolgte auf Wunsch der Türkisch-Islamischen Union (Diyanet I?leri Türk Islam Birli?i, DITIB), die durch die Solitärstellung der Kuppel eine größere Transparenz und damit Öffnung zur Umgebung erreichen möchte. Obschon es fraglich bleibt, ob nicht der übliche Effekt großer Glasflächen vielmehr zu einer Spiegelung des Außen in der Fassade führt und so Durchsicht eher verhindert – die Geste der Öffnung bleibt ablesbar. Motiviert ist der Wunsch nach mehr Transparenz nicht zuletzt durch die industriell-nüchterne Außenwirkung der bisherigen DITIB-Heimstatt an der Ecke Venloer Straße/Innere Kanalstraße, die durch die neue Moschee ersetzt werden soll.

Liturgische und funktionale Gründe bedingen Änderungen

Reagierte der Wettbewerbsbeitrag noch mit einem im Grundriss trapezförmigen Hauptbaukörper auf den Verlauf der Inneren Kanalstraße, so weist er – wenn auch zu Gunsten der Kuppel verkleinert – in der überarbeiteten Fassung parallele Seitenwände auf, wohingegen die Keilform in den Gebäuderiegel entlang der Fuchsstraße gewandert ist. Der Gebetsraum innerhalb der Kuppel hat dadurch den von der DITIB gewünschten rechteckigen Zuschnitt bekommen. Standen die beiden Minarette anfänglich diagonal versetzt zueinander, sind sie nun entlang derselben Achse aufgestellt – dies hat, so Seyda Can (DITIB), liturgische Gründe, denn der Blick durch den „Rahmen“, den die Minarette bilden, ist nach Mekka gerichtet.

Die Fläche des erhöhten zentralen Platzes, der sich über Treppen zu Venloer und Innerer Kanalstraße wendet, wurde vergrößert. Nordöstlich wird dieser Platz von einem nun freigestellten Baukörper gefasst, der auf Platzniveau ein Café sowie in den oberen Geschossen die Sammlung der Bibliothek aufnehmen wird. Die Nutzfläche des Komplexes hat sich auf 20.300 Quadratmeter BGF vergrößert, wobei zu deren Aufnahme nicht die ober-, sondern die unterirdische Geschosszahl des Gebäudes erhöht wurde: Von der Straße aus sind vier Geschosse und ein Mezzanin sichtbar, drei weitere Ebenen finden sich unterhalb des Straßenniveaus und nehmen unter anderem eine Tiefgarage auf.

Ob der für den Hof vorgesehene Brunnen, der auf die Tradition der rituellen Reinigung verweist, zur Ausführung kommen wird, oder ob es an dieser Stelle eine Öffnung für die Belichtung der Untergeschosse geben wird, ist ebenso wie weitere Details noch nicht endgültig entschieden. Die Planung befindet sich eben in einem Prozess, der bisher keinen Abschluss gefunden hat.

Dialogisches Miteinander

Die Änderungen der architektonischen Ausformung stehen für einen zweifachen Dialog: Zum ersten ergaben und ergeben sie sich aus dem Dialog der Architekten und der DITIB, so dass baurechtliche wie funktionale Erfordernisse mit inhaltlichen Forderungen an ein neues kulturelles Zentrum in Einklang gebracht werden können. Diese scheinbar selbstverständliche Forderung an einen Planungsprozess ist gerade aufgrund der eingangs erwähnten politischen Dimension des Projektes bedeutsam. Denn zum zweiten will die DITIB den Neubau – symbolisch und wörtlich – zur Stadt öffnen. Das Abstraktum „Stadt“ ist hier als durchaus heterogene Gemeinschaft der in ihr Lebenden verstanden. Da das Projekt in Teilen dieser Gemeinschaft umstritten ist, wird der offensichtliche Wille zum Dialog notwendig und zum Ausdruck gebracht.

Das Außen ist somit in das Innere geladen. Der architektonischen Geste muss in der Folge sowohl vom „Außen“ als auch vom „Innen“ eine entsprechende Öffnung folgen, damit Dialog stattfinden kann. Auch dies scheint selbstverständlich. Die ideologisierte Debatte muss auf eine inhaltlich-konstruktive Ebene zurückgeführt werden, damit die Moschee, deren Idee nicht zuletzt durch den architektonischen Ausdruck projiziert wird, zu einem ebenso selbstverständlichen Teil Kölns werden kann.

Rainer Schützeichel

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Wer baut der bleibt

Am kommenden Montag findet zum Thema ein

BDA- Montagsgespräch statt:

2. Juli 2007

19:30 Uhr

KAP-Forum im Rheinauhafen

Die Solitärstellung der Kuppel soll eine größere Transparenz und damit Öffnung zur Umgebung erreichen.

Grafik: Architekturbüro Böhm

Im überarbeiteten Entwurf steht die von Sichtbetonscheiben gefasste Kuppel nun frei. Ansicht von Süd-Osten.

Grafik: Architekturbüro Böhm

Eine Freitreppe erschließt die Fläche des erhöhten zentralen Platzes, der nordöstlich von einem freigestellten Baukörper begrenzt wird. Ansicht von der Venloer Straße.

Grafik: Architekturbüro Böhm

Im Wettbewerb präsentierte sich der Entwurf insgesamt geschlossener.

Modell des 1. Preises vom März 2006

2 Kommentare

Das geplante Gotteshaus wird meiner Meinung nach die Stadt Köln um ein weiteres künstlerisch einmaliges Werk bereichern.
Dem Architekten und dem Bauherrn ist es gemeinsam gelungen, moderne und traditionelle Symbole und Werte architektonisch zu verschmelzen.
Ich hoffe, dass sich die Kölner über die Bedeutung dieser historischen Chance im klaren sind und dieses Gotteshaus auch als ein solches aufnehmen, denn die muslimische Gemeinde in Köln ist unter uns und wird es auch in Zukunft sein.
Sollte die Vernunft hier etwas versagen, so wäre vielleicht auch ein ähnliches Sicksal für die muslimische Gemeinde nicht auszuschließen, die anderen religiösen Gemeinden leider widerfahren ist.

Hasan Göksu
Diplom-Bauingenieur

Das Gebäude ist von der architektonischen Seite gewiss nicht schlecht, wirkt aber provozierend und überdimensional. Eine kleinere Variante würde viel weniger Spannungen hervorrufen. Das müssen die Verantwortlichen wissen, es sei denn, es interessiert sie die Meinung der Bürger nicht viel.