Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Sidol: Abriss kontra Denkmalschutz

Die Zukunft des Industriedenkmals entscheidet sich vor Gericht.

Zwischen zwei strahlend weißen Pförtnerhäuschen betritt man von der Eupener Straße das frühere Gelände der Firma Siegel. Jedes bildet den Endpunkt eines Büroriegels. Dieses Entrée zeigt, wie attraktiv und lohnenswert Kulturpflege sein kann. Es handelt sich um zwei denkmalgeschützte Bauteile, die heute an Unternehmen aus Zukunftsbranchen vermietet sind. Hinter der Schranke wechselt der Eindruck jäh. Es gibt nur noch ein paar Gewerbebetriebe auf dem Gelände, ansonsten herrscht Leerstand.

Der Kernbau von Otto Müller-Jena

Als Eugen Wolf und Oskar Siegel ihre Chemische Fabrik für Reinigungsmittel auf industrielle Massenfertigung umstellten, konnte diese gewaltige Aufgabe nur durch einen Neubau gelöst werden. Also baute Otto Müller-Jena 1926 bis 1928 anstelle der vorherigen Fabrik eine Produktionsstätte modernsten Zuschnitts. Allein die Verwaltung blieb in einem Backsteinbau von 1911. Sie erhielt erst neue Räume, als Valentin Pollack bis 1951 anstelle der kriegsbeschädigten Altbauten die beiden vorbildlich sanierten Bürotrakte mit den Eingangspavillons schuf.

Das innovative und rationelle Denken der Inhaber fand in der Gestaltung und Konstruktionsweise der Bauten Müller-Jenas seine Entsprechung. Der Architekt, ein Teilnehmer der Werkbundausstellung von 1914, schuf einen Eisenbetonbau, der von einem regelmäßigen Stützenraster durchzogen ist. Zur Eupener Straße liegt der viergeschossige Fabrikationsblock – das Hauptgebäude, mit einem flacheren Anbau aus späterer Zeit. Auf der Nordseite angegliedert ist der turmartige Aufbau des ehemaligen Wasserspeichers. Etwas abgesetzt folgt der Trakt mit dem Schornstein, der Anlagenteile wie Wachsschmelze und Kesselhaus verband, die mit Hitzeentwicklung verbunden waren.

Mit großen Erfolg wurde von hier aus der Name „Sidol“ zu einer Marke modernen Zuschnitts aufgebaut. Dazu gehörte auch ein unverwechselbares Erscheinungsbild. Ein Kölner Heinzelmännchen mit Bürste bildete seit den 1930er Jahren das gemeinsame Signet aller Produkte aus dem Hause Siegel & Co. 1969 gingen die Sidol-Werke an die Firma Thomson, die wiederum 1971 von den Henkel-Werken übernommen wurde. In den 1980er Jahren gab man die Produktionsstätte an der Eupener Straße auf und verlegte die Fertigung nach Düsseldorf.

Von Henkel zu Lammerting

Anfang der 1980er Jahre hatten die Brüder der Udo J. und Ludger Lammerting den Technologiepark in Braunsfeld gegründet. Heute umfasst er etwa 300 Einzelfirmen mit rund 6.000 Beschäftigten. 2000 erwarb die Lammerting-Immobilien-Gruppe (LIG) das Sidol-Gelände aus dem Besitz der Firma Henkel. Mit dem Verkauf hatte sich der Konzern zugleich der Auseinandersetzung mit dem Stadtkonservator entledigt. Denn die Prüfung der Unterschutzstellung war damals bereits eingeleitet. Den ca. 60 Künstlern, die in der Fabrik seit Jahren Atelierräume unterhielten, wurde von Henkel kurzfristig gekündigt.

Müller-Jenas Bau sollte zur Erweiterung des Technologieparks abgerissen und durch neue Gewerbebauten ersetzt werden. Ende 2000 stellte Udo Lammerting seine Abrisspläne zurück und schloss mit Künstlern befristete Mietverträge zu den alten Konditionen. Zu diesem Zeitpunkt konnte er sich eine langfristige kulturelle Nutzung der avantgardistischen Architektur durchaus vorstellen, berichtet Ulrich Becher, Pressesprecher der LIG.

In der Übergangsfrist von zwei Jahren, die später um ein weiteres Jahr verlängert wurde, sollten in Abstimmung mit dem Konservator entsprechende Konzepte erarbeitet werden. Der Erhalt dieses für Köln einmaligen Beispiels moderner Industriearchitektur schien das gemeinsame Ziel der Bemühungen zu sein.

Sidol - Westseite

Blick von Westen. Über dem Anbau im Vordergrund ist der Giebel des Kesselhauses sichtbar.

Sidol - Skizze der Anlage

3 Kommentare

Eine interessante Geschichte schmückt dieses Gebäude.Aus der Ferne schon erweckte der Turm meine Neugierde und das Verlangen dieses Gebäude mal von innen zu sehen.
So war es mir letztenendes mit offizieller Genehmigung möglich und konnte dort die verschiedensten Eindrücke sammeln.Von geschockt bis beeindruckt über die Bauweise…die Ausbeute meiner Urban-Exploration Tour war erfolgreich.
Fazit: Das Gebäude sollte erhalten bleiben und in den TPK miteingebunden werden.

Zur Zeit fehlt ,verursacht durch dingfest gemachte Schrottdiebe, ein großer Teil des Daches auf dem denkmalgeschützten Bereich der Gebäude.Ich suche Unterstützer,die mit mir der Stadt Druck machen,die Substanz zu retten inpuncto Denkmalschutz.